Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 02/2022 vom 21.01.2022
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen. Er verwies darauf, dass das Haus in normaler Wohnlage liege und das Rasterfeld B 4 mit Bad oder Sammelheizung ab 91m² in normaler Wohnlage des Mietenspiegels 2013 einschlägig sei. Er meint, zur Begründung des Erhöhungsverlangens auf das Rasterfeld B 4 des Mietspiegels für die Freie und Hansestadt Hamburg des Jahres 2013 zurückgreifen zu können, da für spätere Mietspiegel entsprechende Angaben nicht mehr vorhanden seien. Auch sei die Wohnung als vermieterseitig mit einem Bad ausgestattet anzusehen.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet.
Verwende der Vermieter zur Begründung einer Mieterhöhung einen veralteten Mietspiegel, habe das zwar noch nicht zwingend die formelle Unwirksamkeit der Erhöhungserklärung zur Folge. Ändere sich aber im Rahmen der danach veröffentlichten Mietspiegel die Struktur und Kategorisierung zum vorherigen Mietspiegel grundlegend, entspreche das Mieterhöhungsverlangen unter Bezugnahme auf den vorherigen Mietspiegel nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Erhöhungserklärung.
Die in § 558 Abs. 2 BGB genannten Wohnwertmerkmale, nach denen sich die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung richte, seien typischerweise mit fortschreitender Zeit einem Wandel unterlegen. So könnten etwa im Laufe der Zeit bestimmte Einrichtungen, die einer Wohnung einen besonderen Wert verliehen und deshalb Gegenstand eines Mietspiegels seien, zur Standardausstattung werden. Auch könne die Bewertung einer Wohnlage durch mit der Zeit auftretende strukturelle Veränderungen beeinflusst werden.
Solche Feststellungen gölten auch hinsichtlich des Mietspiegels 2013 im Vergleich zu dem zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens (2021) vorliegenden Mietspiegel 2019. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Lagebewertung im zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung von Wohnlagenkennwerten im Hamburger Wohnlagenverzeichnis ganz erheblich verändert hätten und insoweit hinsichtlich der Lageeinordnung deutlich veränderte Bewertungsgrundlagen gegeben seien.
Zudem sei vom Gesetzgeber durch das Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln zum 01.05.2013 - und damit einen Monat nach dem Stand des Mietspiegels 2013 - in § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB aufgenommen worden, dass die energetische Ausstattung und Beschaffenheit der angemieteten Wohnung im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete in besonderer Weise zu berücksichtigen sei, was bis dahin nach dem Wortlaut des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht der Fall gewesen sei.
Ebenso belegten die Veränderungen der Kommentierung zum Mietspiegel 2019 im Vergleich zum Mietspiegel 2013, dass die Mietspiegelerhebung auf veränderten Grundlagen beruhe. So umfasse der Mietspiegel 2019 Merkmale besserer Ausstattungen beispielhaft in fünf Ziffern. Beim Mietspiegel 2013 seien es demgegenüber noch elf Ziffern gewesen, wozu etwa auch Balkon, Loggia oder Terrasse mit einer Nutzfläche größer als 7m² und einer Mindesttiefe von 1,50 Metern zählten. Ebenso seien Rollläden, hochwertige Fußböden oder Bodenbelege, wie vollständige Fliesung des Bades, ein Bad mit einer Fläche von mehr als 8m² oder auch die Trennung von Bad und WC 2013 noch als Merkmale besserer Ausstattung ausdrücklich genannt worden, die jeweils im Mietspiegel 2019 nicht mehr als Merkmale besserer Ausstattung aufgeführt würden.
Bei der Lagebewertung werde nunmehr auch die Entfernung zur nächsten Metrobus-Station sowie die Entfernung zum Einzelhandel berücksichtigt, was im Mietspiegel 2013 noch nicht der Fall gewesen sei.
Damit habe sich die Einordnung und Bewertung von Wohnungen im Rahmen der Mietspiegelerstellung nachhaltig verändert, so dass der Mietspiegel 2013 als Grundlage eines Mieterhöhungsverlangens Anfang des Jahres 2021 nicht mehr geeignet sei.
Praxishinweis
Der Entscheidung ist zuzustimmen.
Der BGH hatte zu einem Mieterhöhungsverlangen, das mit einem 20 Jahre alten Mietspiegel begründet wurde, entschieden (Urteil vom 16.10.2019 – VIII ZR 340/18, NZM 2019, 852), dass ein so alter Mietspiegel bereits auf den ersten Blick als Grundlage für die Begründung ausscheidet und es damit schon an den formellen Voraussetzungen eines Mieterhöhungsverlangens fehlt.
Das AG Hamburg folgt vorliegend einer anderen Entscheidung des BGH (Urteil vom 11.03.2009 - VIII ZR 316/07, BeckRS 2009, 9100), wonach es eine Frage der materiellen Begründetheit ist, wenn der Vermieter einen zwar veralteten, aber nicht gänzlich ungeeigneten Mietspiegel zur Begründung aufführt.
Da sich aber der Mietspiegel als Begründungsmittel für das Mieterhöhungsverlangen nur eignet, wenn die konkrete Wohnlage von dem Mietspiegel erfasst wird und er verwertbare Aussagen über die betreffende Wohnung enthält (Fleindl in BeckOGK,
AG Hamburg, Urteil vom 22.12.2021 - 49 C 213/21, BeckRS 2021, 40650