Urteilsanalyse
Hemmung der Verjährung durch PKH-Antrag auch ohne Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Urteilsanalyse
urteil_lupe
© Stefan Yang / stock.adobe.com
urteil_lupe

Die Hemmung der Verjährung durch einen Prozesskostenhilfeantrag tritt - so das OLG Dresden - auch dann ein, wenn dem Antrag die Erklärung über die persönlichen Verhältnisse nicht beigefügt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Bekanntgabe an den Antragsgegner «demnächst» erfolgt.

20. Jun 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 12/2022 vom 17.06.2022

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Vergütungs- und Berufsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Vergütungs- und Berufsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Vergütungs- und Berufsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Der Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe für einen Arzthaftungsstreit. Die Antragsgegnerin hielt etwaige Ansprüche für verjährt. Das LG wies den Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurück. Etwaige Ansprüche seien wegen Verjährung jedenfalls nicht durchsetzbar. Der PKH-Antrag habe die Verjährung nicht hemmen können, da die zwingend erforderliche Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse fehlte. Diese habe der Antragsteller erst nach Eintritt der Verjährung erstellt. Dagegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein.

Entscheidung: Verjährungshemmung durch PKH-Antrag ohne Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse bei Bekanntgabe «demnächst»

Die Beschwerde hatte Erfolg.

Die Klage habe hinreichende Erfolgsaussichten. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede stehe nicht entgegen, da der PKH-Antrag das Ablaufen der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt hat. Das OLG folgt hinsichtlich der Anforderungen, die ein PKH-Antrag erfüllen müsse, um zu einer Verjährungshemmung zu führen, anders als das LG der «wohl überwiegenden» Auffassung, dass eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO) entbehrlich sei, um die rückwirkende Hemmung auszulösen.

Da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers dem Antragsgegner grundsätzlich nicht mitgeteilt werde, habe der Zeitpunkt, wann diese eingereicht werde, grundsätzlich keinen Einfluss auf die Bekanntgabe des PKH-Antrags gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB und damit auf die Hemmung der Verjährung. Jedenfalls in den Fällen, in denen trotz fehlender Erklärung die Bekanntgabe «demnächst» nach der Einreichung erfolge, komme es daher auf den Zeitpunkt der Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr an. Vorliegend sei die Bekanntgabe des PKH-Antrags vom 23.12.2021 am 10.01.2022 erfolgt. Diese Zeitspanne halte sich in dem durch die Rechtsprechung gezogenen Rahmen.

Praxishinweis

Zur Hemmung der Verjährung bedarf es nicht mehr der Vorlage eines vollständigen Prozesskostenhilfegesuchs, die Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 ZPO oder fehlende Unterlagen können nachgereicht werden (Reichling in BeckOK ZPO, § 117 ZPO Rn. 27). Der Antrag auf Prozesskostenhilfe muss allerdings gewissen Mindestanforderungen genügen, die ihn – und das damit verbundene Begehren – als solchen erkennen lassen. Im Gesetz selbst wird der Missbrauchsgefahr lediglich dadurch begegnet, dass nur der erstmalige Antrag Hemmungswirkung entfaltet (siehe hierzu näher Fischer in Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, ZPO § 117 Rn. 8).


OLG Dresden, Beschluss vom 20.05.2022 - 4 W 245/22 (LG Görlitz), BeckRS 2022, 12462