Sowohl die Berufsordnung BORA als auch die Rechtsprechung verpflichten Anwälte, für den Fall ihrer Abwesenheit Vorsorge zu treffen, um auch in dieser Situation die Rechte des Mandanten umfassend zu wahren. Der BGH verlangt insoweit, dass der Anwalt im Rahmen der Kanzleiorganisation hierzu generelle Vorkehrungen trifft, die sowohl konkrete Maßnahmen bei vorhersehbaren Abwesenheiten beinhalten als auch „Notfallmaßnahmen“ für den Fall einer ungeplanten Abwesenheit (zB BGH NJW-RR 2019, 1207).
Ungeplante Abwesenheit
Plötzliche Erkrankungen treten regelmäßig auf, wenn Fristabläufe oder Termine bevorstehen. In Sozietäten ist dann eine spontane Vertretungsproblematik relativ leicht zu lösen, zumal die Sozien zumeist mitmandatiert sind. Als Einzelanwalt sollte man hingegen bereits im Vorfeld einen Kollegen für eine bestenfalls wechselseitige Notvertretung gefunden und sein Personal entsprechen instruiert haben, um eine Fristenwahrung bei personellem Ausfall zu gewährleisten. Ein durch einen Vertreter gestellter Fristverlängerungsantrag reicht in der Regel auch aus, um negative Folgen einer Säumnis zu vermeiden. Dass der Vertreter tatsächlich den fristgebundenen Schriftsatz fertigt, wird von der Rechtsprechung nicht erwartet (BGH NJW 2020, 2413). Hat man kein Kanzleipersonal, ist zudem daran zu denken, dem Kollegen einen Zugang zum beA zumindest für die Nachrichtenübersicht zu verschaffen.
Vorhersehbare Abwesenheiten
Einfacher zu organisieren sind dagegen die Fälle der geplanten Abwesenheit wie etwa ein längerer Krankenhausaufenthalt oder Urlaub. Hier kann der Anwalt bereits im Vorfeld agieren. Neben der Bestellung eines Vertreters kann er selbst in laufenden Mandaten Fristverlängerungsanträge stellen und Terminsverlegungen beantragen. Bei Fristverlängerungsanträgen wegen urlaubsbedingter Abwesenheit und damit einhergehender Arbeitsüberlastung kann der Anwalt dabei auch grundsätzlich auf deren Stattgabe vertrauen (BGH NJW-RR 2017, 564). Als Grund für eine Terminverschiebung taugt der lapidare Hinweis auf den geplanten Urlaub jedoch nicht unbedingt. Anders als für eine Fristverlängerung nach § 520 II ZPO sind für einen Antrag auf Terminsverlegung die erheblichen Gründe gem. § 227 II ZPO nämlich auch glaubhaft zu machen. Angaben „ins Blaue“ zu bereits länger geplanten Urlauben reichen hierzu jedenfalls nicht aus, wie jüngst der BFH in einem Beschluss (Beschl. v. 22.4.2024 – III B 82/23, BeckRS 2024, 10159) dargelegt hat.
Hier hatte der Anwalt nach Terminsladung beantragt, wegen eines geplanten Kurzurlaubs mit seiner Frau über die Karnevalszeit den auf Aschermittwoch bestimmten Termin zu verlegen. Auf die Ablehnung des Gerichts wegen mangelnder Glaubhaftmachung hin hatte der Anwalt lediglich ergänzend vorgetragen, dass er ein konkretes Ziel nicht benennen könne, aber mit seiner Frau vor längerer Zeit den Entschluss gefasst habe, über Karneval wegfahren zu wollen. Dieser Vortrag war dem Gericht nicht konkret genug, der Termin wurde nicht verlegt, die Verhandlung fand ohne Anwalt und Mandanten statt und die Klage wurde abgewiesen. Zu Recht, befand der BFH im Beschwerdeverfahren wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine Terminsverlegung wegen Urlaubs komme nur dann in Betracht, wenn die Planung so ausgestaltet ist, dass dem Anwalt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins nicht zumutbar ist (BFH BeckRS 2024, 10159). Angaben ohne näheren Gehalt „ins Blaue“ genügten nicht, da die Beteiligten sonst nach Gutdünken Terminsänderungen herbeiführen könnten. Dass zuvor auf Antrag des Anwalts der Termin bereits zweimal verlegt worden und die Geduld der Richter möglicherweise erschöpft war, mag zu dieser Entscheidung beigetragen haben. Mit mehr Mühe bei der Formulierung des Verlegungsantrags hätte dieses Ergebnis zu Lasten des Mandanten wahrscheinlich jedoch vermieden werden können.
Unterm Strich gilt: Ob Urlaub oder Krankheit – mit vorausschauender Planung und hinreichender Begründung von Verlegungsanträgen drohen weder dem Mandanten noch dem Anwalt negative Konsequenzen aus der Abwesenheit. Vielmehr kann sich der Anwalt dann in Ruhe auskurieren oder den Urlaub genießen, ohne einen späteren Regressanspruch wegen Versäumnissen befürchten zu müssen.
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