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beA und gehackte Kanzleirechner
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An die Einreichung von elektronischen Schriftsätzen per beA haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Was aber ist zu tun, wenn eine elektronische Schriftsatzeinreichung am Abend des Fristablaufs scheitert, weil der Kanzleirechner nachweislich gehackt wurde?

23. Apr 2024

Fristversäumnisse zählen nach wie vor zu den häufigsten Ursachen für Haftungsansprüche gegen Rechtsanwälte. Bei der Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen müssen sie bestimmte Sorgfaltspflichten einhalten. Um fristgerecht zu arbeiten, sind sowohl der Fristbeginn als auch das Fristende ordnungsgemäß zu prüfen. Neben der Frist an sich müssen Rechtsanwälte auch gegebenenfalls erforderliche Formerfordernisse unbedingt wahren. Hierbei treten in der Praxis immer wieder neue Herausforderungen auf.

Einreichung als elektronisches Dokument via beA

Anwaltliche Schriftsätze müssen im Zivilprozess seit dem 1.1.2022 nach § 130d S. 1 ZPO als elektronisches Dokument über das beA bei Gericht eingereicht werden. Die in § 130d ZPO normierte aktive Nutzungspflicht des beA ist verfahrensrechtliches Grundwissen, wie der BGH bereits festgestellt hat (NJW-RR 2023, 427). Um hier nicht in eine Haftungsfalle zu tappen, sollte sich der Anwalt mit dem beA und den dafür geltenden Vorschriften vertraut machen, um vor allem bei technischen Problemen adäquat reagieren zu können.

Wird ein Schriftsatz im Zivilprozess nicht fristgerecht eingereicht, kann eine Heilung durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO erfolgen. Für den hiernach maßgeblichen Verschuldensmaßstab ist nach Ansicht des BGH nicht von der äußersten und größtmöglichen Sorgfalt auszugehen, sondern von der von einer ordentlichen Rechtsanwältin oder einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernden üblichen Sorgfalt (NJW-RR 2016, 126).

Ersatzeinreichung nach allgemeinen Vorschriften

Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt nach § 130d S. 2 ZPO die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Auch die Ersatzeinreichung muss fristwahrend erfolgen. Bei Verfahren vor dem Arbeitsgericht regelt § 46g ArbGG die Nutzungspflicht des beA sowie die Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften. Das LAG Berlin-Brandenburg entschied erst vor einiger Zeit (Beschl. v. 8.5.2023, BeckRS 2023, 13172), dass es für den nach § 233 ZPO maßgeblichen Verschuldensmaßstab zur üblichen Sorgfalt eines Rechtsanwalts gehört, § 46g ArbGG und die Möglichkeit der Ersatzeinreichung zu kennen (Beschl. v. 8.5.2023 – 5 Sa 143/23, BeckRS 2023, 13172). In dem Fall ging es um ein Fristversäumnis einer Anwältin, deren Kanzleirechner am Abend vor Fristablauf nachweislich gehackt worden war. Zwar hatte sie den Schriftsatz noch vor Fristablauf per Fax an das Arbeitsgericht gesandt, jedoch aus Unachtsamkeit nicht den Sendebericht kontrolliert. Das Fax wurde nicht ordnungsgemäß verschickt und kam daher bei Gericht nicht an, was jedoch zunächst nicht bemerkt wurde. Das LAG entschied, dass die Kenntnis des § 46g ArbGG und der darin normierten Ersatzeinreichung auch dann zu der üblichen Sorgfalt gehört, wenn die vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung auf einer erpresserischen Verschlüsselung der Daten auf allen Kanzleirechnern beruhte. Die Kenntnis von dem Hackerangriff hatte die Anwältin spätestens um 22.20 Uhr. Nach Ansicht des Gerichts hätte es der anwaltlichen Sorgfaltspflicht entsprochen, noch zu diesem Zeitpunkt den Schriftsatz in den Briefkasten des Gerichts einzuwerfen bzw. ein (weiteres) Fax zu versenden.

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass die Gerichte weiterhin sehr strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Anwaltschaft bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellen. Daran ändert auch die Verwendung des beA nichts. Dass in dem Fall des LAG die Rechtsanwältin aufgrund des Hackerangriffs panisch wurde, blieb unbeachtet. Anwälte sollten bei solchen Angriffen nicht in Panik verfallen, sondern den üblichen Sorgfaltsmaßstab bei der Übermittlung per Fax beachten. Da die Anwältin ein Fax versenden konnte, muss davon ausgegangen werden, dass sie den Schriftsatz noch rechtzeitig ausgedruckt hatte. Offen bleibt aber die Frage, was zu tun ist, wenn dies infolge des Hackerangriffs nicht mehr möglich ist und daher auch eine Einreichung per Post oder Fax ausscheidet. Ein vorsorglicher Ausdruck erscheint übertrieben. Im Sinne des Gebots des sichersten Wegs könnte jedenfalls über die rechtzeitige Anfertigung von Sicherungskopien auf einer externe Festplatte nachgedacht werden.

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Tanja Geber, LL.M., ist Rechtsanwältin bei der HDI Versicherung AG, Köln.