Recht im Unternehmen
Haftungsfalle Corona
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Corona
Ahmet Aglamaz / Adobe
Corona

Der Ausbruch einer Vielzahl von Corona-Infektionen in einem Schlachthofbetrieb in Nordrhein-Westfalen hat den Ruf nach einer Haftung des Unternehmens und dessen Leitung laut werden lassen. Dabei ist völlig offen, für wen hier gehaftet werden soll. Gegenüber den Mitarbeitern? Für Schäden Dritter? Für Aufwendungen des Staates? Und haftet gar der Leiter persönlich aus zivil- sowie strafrechtlicher Sicht?

10. Jul 2020

Um eine Haftung zu begründen, ist zunächst festzustellen, ob das massenhafte Auftreten von Corona-Infektionen auf den Betrieb zurückzuführen ist. Dabei ist insbesondere zu erforschen, welche Maßnahmen dort zum Schutz gegen eine Verbreitung des Virus ergriffen und wie konsequent diese umgesetzt wurden. Eine Haftung des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter bei unzureichendem Schutzstandard kann erheblich sein. Er genießt zwar regelmäßig ein Haftungsprivileg und haftet bei Unfällen und Berufskrankheiten nur bei Vorsatz, jedoch werden für Pandemien Ausnahmen diskutiert. Der Staat wird versuchen, seine Aufwendungen – etwa für das Absperren des Betriebsgeländes – gegen den Betrieb als Zustands- oder Handlungsstörer auf öffentlich-rechtlicher Grundlage durchzusetzen. Dabei kann er sich auf erlassene Allgemeinverfügungen oder andere Verwaltungsakte berufen.

Keine Schädigungsabsicht

Dritte, die beispielsweise aufgrund einer Quarantäne nicht in der Lage sind, ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, oder die Gesundheitsschäden erleiden, müssten beweisen, dass der Betrieb für die Verbreitung der Corona-Infektion verantwortlich ist. Als Anspruchsgrundlage käme in erster Linie § 823 II BGB iVm einem Schutzgesetz in Frage; § 823 I BGB umfasst keine Vermögensschäden. Hinsichtlich der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB dürfte es am Vorsatz und der Schädigungsabsicht der für den Betrieb Verantwortlichen fehlen. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) kann zwar Schutzgesetz iSd § 823 II BGB sein, allerdings ist dies regelmäßig nur dann der Fall, wenn gegen ein Tätigkeitsverbot verstoßen wird. Soweit es um ein Organisationsverschulden geht, weil Abstände im Betrieb oder sonstige Schutzmaßnahmen nicht eingehalten wurden, ist fraglich, ob ein Verstoß gegen das IfSG oder ein sonstiges Schutzgesetz vorliegt.

Denkbar ist weiter, dass das Unternehmen seinen Leiter persönlich mit dem Vorwurf in Anspruch nimmt, seine Pflichten als Vorstandsmitglied oder als Geschäftsführer verletzt zu haben. Hat dieser Risiken eines Corona-Ausbruchs ignoriert, die Ansteckung unter Mitarbeitern hingenommen und den Betrieb nicht so organisiert, dass dies verhindert wird, ist eine persönliche Haftung möglich. Liegt eine wissentliche Pflichtverletzung vor, wäre sogar eine Deckung durch eine D&O-Versicherung zu versagen.

Mögliche Straftatbestände

Neben zivilrechtlichen Haftungsrisiken ist auch eine straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung der verantwortlichen Personen oder des Unternehmens selbst denkbar. Neben etwaigen nebenstrafrechtlichen Verstößen (etwa gegen das IfSG) kommt insbesondere eine Strafbarkeit der verantwortlichen Unternehmensleiter wegen Körperverletzung in Betracht. Die Bewertung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In erster Linie käme eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen in Betracht, wenn fehlende oder unzureichende Vorkehrungen im Unternehmen zur Vermeidung von Krankheitsfällen zu den Infektionen geführt haben. Sollte die Unternehmensleitung die Erkrankung der Mitarbeiter wegen mangelhafter Vorkehrungen zwar nicht angestrebt, aber für möglich gehalten und derartige Krankheitsfälle „billigend in Kauf“ genommen haben, ist theoretisch sogar eine Verfolgung wegen vorsätzlicher Körperverletzung denkbar, was ein deutlich höheres Strafmaß nach sich ziehen würde.

Sollte auf diese Weise eine Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit der Unternehmensleitung angenommen werden, besteht das Risiko, dass nach § 30 OWiG eine Geldbuße gegen das Unternehmen festgesetzt wird. Diese bemisst sich bei Ordnungswidrigkeiten an der Höhe der Sanktion für die jeweilige Verfehlung (beispielsweise bei arbeitsschutzrechtlichen Verstößen gegen das IfSG maximal 25.000 Euro). Im Fall einer fahrlässigen Straftat der Unternehmensleitung kann die Geldbuße jedoch bis zu 5 Mio. Euro und bei Vorsatz sogar bis zu 10 Mio. Euro betragen.

Dr. Sven Förster und Dr. Alexander Cappel sind Partner bei​ Norton Rose Fulbright in München und Frankfurt a. M.