Der sich aus einem Mandatsverhältnis ergebende Pflichtenkreis beinhaltet neben der Sachverhaltsaufklärung und der Rechtsprüfung regelmäßig die Entwicklung einer Strategie, die auf das rechtliche Interesse des Auftraggebers ausgerichtet ist. Erwartet wird, dass der Berater unter Offenlegung der damit verbundenen Vor- und Nachteile diejenigen Schritte empfiehlt, durch die sich das erstrebte Ziel erreichen lässt (BGH NJW 2020, 1139). Um insoweit eine Expertise abgeben zu können, muss der Anwalt den zugrunde liegenden Sachverhalt bestmöglich kennen und erforschen.
Hier kommt der Mandant ins Spiel, in dessen Sphäre zu allererst die Bereitstellung von Informationen fällt. Es ist seine vertragliche Verpflichtung (BGH NJW-RR 2004, 1358), nach bestem Wissen vollständige und richtige Angaben zum Sachverhalt zu machen und einschlägige Unterlagen beizubringen. Der Auftraggeber muss also aktiv an der für die ordnungsgemäße Erledigung der Rechtssache notwendigen Basis mitarbeiten. Korrespondierend hat auch der Anwalt die Pflicht, die für die rechtliche Beurteilung eines Falles relevanten Umstände zutage zu fördern, verbleibende Zweifel zu klären und zu erörtern. Es gehört zu seinen Aufgaben, sich über den mandatsbezogenen Sachverhalt zu informieren (OLG Hamm BeckRS 2025, 5946), gegebenenfalls notwendige Unterlagen anzufordern und Beweismittel zu sammeln. Ziel ist ein möglichst vollständiges und objektives Bild der Sachlage (BGH NJW 1961, 601). Dabei darf der Anwalt in der Regel mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von der Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen ausgehen (BGH NJW-RR 2006, 923; NJW 2000, 730).
Einschränkungen des Vertrauensgedankens
Allerdings entfaltet dieser Grundsatz nur in engen Grenzen seine Wirkung. Geht es nicht mehr nur um die reinen Fakten, sondern um Schlussfolgerungen rechtlicher Art (vgl. BVerwG NVwZ 2024, 70), dürfen die Angaben des Mandanten nicht ungeprüft übernommen werden, etwa bei Auskünften zum Zeitpunkt einer Zustellung (= Rechtstatsache). In einem so entschiedenen Fall war eine Kündigung vom 22.12. per Bote noch am Vormittag desselben Tages in den Briefkasten der Mandantin eingelegt worden. Diese teilte als Datum des Zugangs den 23.12. mit, da sie den Briefkasten erst dann leerte. Das Kündigungsschreiben war mit der Aufschrift „per Bote“ versehen. Daher hätte der Anwalt durch Nachfragen klären müssen, ob der Zugang nicht doch bereits am 22.12. erfolgte, oder zumindest vorsorglich unter Berücksichtigung dieser Sachverhaltsalternative die Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage berechnen müssen (BGH NJW 2019, 1151).
Vorsicht ist überdies geboten, wenn der Input des Mandanten erkennbar oberflächlich, in sich widersprüchlich oder schlicht unrichtig ist. Zudem können sich aufklärungsbedürftige Sachverhaltslücken auch aus vorliegenden Unterlagen ergeben. Erst kürzlich hat das OLG Hamm (BeckRS 2025, 5946) anlässlich eines Beraterregresses eine solche Situation beleuchtet: Die Mandantin erhielt im Rahmen einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung von ihrem früheren Ehemann ein Darlehen, welches sie aufgrund der dort getroffenen Regelungen letztlich behalten durfte. Sie entschied sodann während der Trennungsphase, die Darlehenssumme teilweise für eine Zuzahlung in eine private Rentenversicherung zu verwenden. Das daraus resultierende Anrecht wurde im nachfolgenden Versorgungsausgleich allerdings wiederum zugunsten des Ehemanns hälftig berücksichtigt. Anlässlich des Haftpflichtprozesses bemängelte die Mandantin unter anderem, dass ihre Anwältin trotz grober Unbilligkeit (s. § 27 VersAusglG) keinerlei Einwände gegen den Versorgungsausgleich erhoben habe, obwohl der Ehemann dadurch mittelbar an dem Vermögen aus dem Darlehen partizipiert hatte. Das OLG Hamm ging hingegen nach Würdigung der Gesamtumstände nicht von einem begründeten Anlass zur Aufklärung der Herkunft der Mittel für die Zuzahlung aus. Insbesondere aufgrund der von der Mandantin vorgelegten Unterlagen (Scheidungsfolgenvereinbarung, Auskunft der Rentenversicherung etc.) ergaben sich für die Anwältin keine Hinweise auf die Finanzierung durch die Darlehenssumme.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass eine akkurate Arbeit am Sachverhalt die ordnungsgemäße Mandatsführung fördert und Haftungsgefahren vorbeugt. Mit Blick auf diese sollten Besprechungen mit dem Mandanten dokumentiert werden.