Kann eine Partei die Kosten für einen Rechtsstreit sowie für das Tätigwerden eines Rechtsanwalts nicht selbst aufbringen, besteht die Möglichkeit Prozesskostenhilfe (Pkh) zu beantragen. Dadurch soll der Zugang zum Recht für alle sichergestellt und verhindert werden, dass wirtschaftlich Schwächere aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, ihr Recht vor Gericht zu suchen (vgl. BVerfG NJW 2008, 1060). Wie das OLG Düsseldorf Ende Februar letzten Jahres entschieden hat, ist ein Anwalt verpflichtet, seine Mandantschaft auf diese Möglichkeit hinzuweisen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die den Rückschluss auf eine Bedürftigkeit des Mandanten zulassen. Unterbleibt ein solcher Hinweis, kann dies Auswirkungen auf seinen Gebührenanspruch haben (NJW-RR 2023, 1223).
In dem Fall hatte der zunächst beauftragte Rechtsanwalt seine Mandantin in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit außergerichtlich und gerichtlich auf Honorarbasis vertreten. Eine erste Honorarrechnung zahlte die Mandantin und erläuterte dabei ihrem Anwalt ihre angespannte finanzielle Situation. Die weiteren Rechnungen konnte sie nicht mehr bezahlen. Gleichwohl wies ihr Anwalt sie nicht auf die Möglichkeit hin, Pkh zu beantragen. Ein solcher – erfolgreicher – Antrag erfolgte erst nach einem Anwaltswechsel in der Berufungsinstanz. Der Anwalt klagte im Folgenden wegen seiner offenen Honorarrechnungen gegen die Mandantin und trug vor, eine Belehrung über Pkh gehöre nicht zum Mandatsumfang. Das sah das OLG Düsseldorf anders.
Schadensersatzanspruch wegen fehlendem Hinweis
Das Gericht hat hierzu entschieden, dass der Honoraranspruch des Anwalts nicht durchsetzbar sei. Diesem stehe nämlich ein Schadensersatzanspruch der Mandantin in gleicher Höhe entgegen (dolo agit). Die Beratung über die Möglichkeit, Pkh zu beantragen, sei Teil des Mandats gewesen, da eine solche Beratung die unmittelbar aus der Rechtsverfolgung resultierenden Kostenfolgen betreffe. Für den Anwalt bestehe zwar das Risiko, eine deutlich geringere Vergütung zu erhalten; dies dürfe ihn aber nicht von einer ordnungsgemäßen Belehrung abhalten. Denn für die Anwaltsvergütung (nach dem RVG) sei generell anerkannt, dass die regelmäßig streitwertabhängigen gesetzlichen Gebühren nicht den Anspruch erheben, das konkrete Mandat adäquat oder auch nur kostendeckend zu vergüten. Ihnen liege vielmehr eine Konzeption zugrunde, nach der erst das Gebührenaufkommen in seiner Gesamtheit geeignet sein muss, sowohl den Kostenaufwand als auch den Lebensunterhalt des Anwalts abzudecken (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2023, 1223). Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, dass dies durch eine Mischkalkulation, also eine Quersubventionierung der weniger lukrativen durch gewinnträchtige Mandate sichergestellt werden soll (NJW-RR 2010, 259). Hätte der Anwalt seine Mandantin auf die Möglichkeit der §§ 114 ff. ZPO hingewiesen, hätte sie diese aufgrund ihrer Bedürftigkeit erfolgreich beantragt. Seine Gebührenansprüche wären dann abgegolten gewesen, da ein beigeordneter Anwalt seine Vergütung gem. § 122 I Nr. 3 ZPO nur aus der Staatskasse erhält.
Handlungsempfehlung für die Praxis
Auch wenn dem Urteil des OLG Düsseldorf ein Ausnahmefall anwaltlicher Ignoranz gegenüber den finanziellen Verhältnissen der Mandantin zugrunde lag, sollten in dem Zusammenhang die folgenden Punkte beachtet werden: Gibt der Mandant an, dass er etwaige Honorarforderungen nicht aus eigener Kraft begleichen kann, sondern auf finanzielle Unterstützung durch Dritte oder die Inanspruchnahme von Krediten angewiesen ist, hat ein Hinweis auf §§ 114 ff. ZPO zu erfolgen. Begleicht der Mandant eine Honorarforderung einmalig nicht innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist, zahlt er aber ansonsten pünktlich, dürfte für den Anwalt hingegen kein Anlass für einen solchen Hinweis bestehen. Werden die Abrechnungen wiederholt nur schleppend nach entsprechenden Mahnungen beglichen, können sich hieraus Anhaltspunkte ergeben, die auf eine angespannte finanzielle Lage des Mandanten schließen lassen. In solchen Fällen erscheint es ratsam, das Gespräch mit dem Mandanten zu suchen und ihn auf §§ 114 ff. ZPO hinzuweisen. Ein solcher Hinweis dürfte schon allein im Hinblick auf seinen Gebührenanspruch stets im ureigenen Interessen des Anwalts liegen.
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