Urteilsanalyse
Haftung für Gerichtskosten und Vergütung des Insolvenzverwalters
Urteilsanalyse
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Der persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet nach einem Urteil des BGH regelmäßig für die Gerichtskosten des über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahrens sowie die Vergütung und die Auslagen des Insolvenzverwalters.

24. Jan 2024

Rechtsanwalt Robert Straubmeier, WACH UND MECKES München

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 01/2024 vom 18.01.2024

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Sachverhalt

Der Insolvenzverwalter eines Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR nimmt eine Gesellschafterin gem. § 128 HGB a. F. analog, § 93 InsO auf
(i) anteilige Rückzahlung einer zur Tabelle angemeldeten Darlehensforderung nebst diesbezüglicher Zinsforderung und

(ii) im Wege der Teilklage auf Zahlung der Kosten des Insolvenzverfahrens in Anspruch.

Das Insolvenzgericht hatte zur Anmeldung nachrangiger Zinsforderungen nicht aufgefordert.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Klage insgesamt unbegründet. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruch als nicht schlüssig dargelegt betrachtet. Der Kläger habe in die Forderungsberechnung Zinsforderungen eingestellt, zu deren Geltendmachung er nicht einziehungsbefugt sei. Eine Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB a. F. analog für die Kosten des Insolvenzverfahrens bestehe nach herrschender Auffassung nicht.

Entscheidung

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Hinblick auf die Darlehensrückzahlungsforderung sei der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zutreffend gewesen. Bei nachrangigen Zinsforderungen greife die Einziehungsermächtigung nach § 93 InsO nur ein, wenn diese auf eine besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts hin zur Tabelle angemeldet worden sind. Nicht gefolgt ist der BGH aber der Annahme des Berufungsgerichts, dass wegen des Einstellens von Zinsen in die Forderungsberechnung der Klageanspruch schon nicht schlüssig dargelegt worden sei. Vielmehr hätte das Berufungsgericht die Forderungshöhe selbst berechnen können und müssen.

Den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Kosten des Insolvenzverfahrens hält der BGH ebenfalls für begründet. Entgegen der ganz herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur nimmt der II. Zivilsenat an, dass die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens haften. Der IX. Zivilsenat, der dies in einem Urteil vom 24.9.2009 (BGH, IX ZR 234/07) noch anders beurteilt hatte, hatte auf Anfrage des II. Zivilsenats mitgeteilt, an seiner anderslautenden Ansicht nicht festhalten zu wollen.

Der II. Zivilsenat nimmt zwar an, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft in der Insolvenz der Gesellschaft nicht nach § 128 HGB a. F. für vom Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten haftet, auf deren Entstehung er Gesellschafter keinen Einfluss hat und die im Gläubigerinteresse eingegangen wurden. § 128 HGB a. F. sei insoweit teleologisch zu reduzieren. Diese Überlegung greift nach Ansicht des II. Zivilsenats aber nicht für die Kosten des Insolvenzverfahrens. Denn diese seien bei Insolvenzeröffnung bereits angelegt, und ein Gesellschafter habe zudem Einfluss auf die Entstehung des Eröffnungsgrundes.

Praxishinweis

Die zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehene Entscheidung des II. Zivilsenats ist ein echter „Paukenschlag“ mit ganz erheblicher Praxisrelevanz.

Nach § 128 HGB a. F. – jetzt § 721 BGB für die GbR, § 126 HGB für OHG und KG – haften die Gesellschafter einer Personengesellschaft den Gläubigern direkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Während der Dauer eines Insolvenzverfahrens kann diese Haftung nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 93 InsO). Die aufgrund der persönlichen Haftung erlangten Beträge stehen aber nicht der Gläubigergemeinschaft zu, sondern sind als Sondermasse zu separieren.

Die Kosten des Insolvenzverfahrens – die Vergütung des Insolvenzverwalters und die Gerichtskosten – sind Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Der Wortlaut des § 128 HGB a. F. würde daher die Haftung des Gesellschafters für die Kosten des Insolvenzverfahrens erfassen. Darüber besteht Einigkeit.

Die absolut herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur hat eine Verfahrenskostenhaftung des Gesellschafters bislang gleichwohl verneint, und dies mit einer teleologischen Reduktion des § 128 HGB a. F. begründet. Höchstrichterlich abgesegnet wurde diese Meinung durch die Entscheidung des IX. Zivilsenats vom 24.9.2009 – IX ZR 234/07. Der IX. Zivilsenat hat wesentlich darauf abgestellt, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens darauf angelegt sind, aus der Masse des insolventen Rechtsträgers beglichen zu werden, was er aus §  26 InsO und § 207 InsO hergeleitet hat.

Daran hielt der IX. Zivilsenat auf Anfrage des II. Zivilsenats nicht fest, weswegen eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen entbehrlich war (§ 132 Abs. 2, 3 GVG).

Der II. Zivilsenat betont den Grundsatz, dass eine Ausnahme von der persönlichen Haftung des Gesellschafters einer Personengesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft begründungsbedürftig ist. Einen eine teleologische Reduktion tragenden Grund hat der II. Zivilsenat verneint, weil die Kosten des Verfahrens — anders als vom Insolvenzverwalter im weiteren Verlauf des Verfahrens begründete Masseverbindlichkeiten — bei der Insolvenzeröffnung bereits angelegt und das Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft sind.

Mit dieser Rechtsprechungsänderung verschärft der BGH die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft im Insolvenzfall. Diese Haftungsverschärfung kann erheblich ausfallen, insbesondere wenn dem Insolvenzverwalter aufgrund einer hohen Masse eine hohe Grundvergütung zusteht oder hohe Zuschläge auf die Grundvergütung festzusetzen sind. Auf die Höhe der Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die normalerweise die Haftung des Gesellschafters bestimmen, kommt es dabei nicht an.

Praxisauswirkungen dürfte diese neue Linie auch für die Prüfung der Verfahrenskostendeckung zeitigen.

Bei fehlender Verfahrenskostendeckung ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich — vorbehaltlich etwaiger Massekostenvorschüsse oder Kostenstundungen — mangels Masse abzuweisen (§ 26 InsO). Zur Masse zählen auch Ansprüche, sofern diese durchgesetzt und realisiert werden können. Auch Haftungsansprüche der Gesellschafter, die der Insolvenzverwalter nach § 93 InsO geltend machen kann, sind im Rahmen des § 26 InsO grundsätzlich als Aktiva des Schuldnervermögens berücksichtigungsfähig. Da bislang die Erstreckung der Gesellschafterhaftung auf die Verfahrenskosten abgelehnt wurde, behalf sich die Praxis teilweise damit, dass gem. § 93 InsO eingezogene Beträge, für die grundsätzlich eine Sondermasse zu bilden ist, auch zum Zwecke der Verfahrenseröffnung verwendet werden durften, weshalb sie bei der Beurteilung der Verfahrenskostendeckung im Rahmen des § 26 InsO einzubeziehen waren (vgl. AG Hamburg Beschl. v. 27.11.2007 – 67 g IN 370/07, BeckRS 2008, 1735). Die Zulässigkeit dieses Vorgehens war allerdings umstritten. Der BGH hatte dies bislang ausdrücklich offengelassen (Urteil vom 24.9.2009 – IX ZR 234/07, Rz. 25; Urteil vom 17.12.2015 – IX ZR 143/13, Rz. 11).

Durch die nunmehrige Rechtsprechungsänderung braucht es diesen Umweg nicht mehr. Nunmehr gilt: Persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft haften für die Verfahrenskosten. Diese Ansprüche sind — bei entsprechender Realisierungsaussicht — bereits bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung zu berücksichtigen.

Aufgrund der klaren Rechtsprechungslinie steht zu erwarten, dass sich die Geltendmachung der Verfahrenskostenhaftung zum Standardvorgehen entwickeln wird. Unterlässt der Verwalter die Inanspruchnahme der persönlich haftenden Gesellschafter auf Ersatz der Verfahrenskosten, setzt er sich selbst dem Risiko einer Haftung aus § 60 InsO aus.

Die Einzelheiten der neu etablierten Verfahrenskostenhaftung der Gesellschafter werden freilich noch konturiert werden müssen.

Angesprochen, aber offengelassen hat der BGH beispielsweise die Frage, ob die Haftung des Gesellschafters zu beschränken ist, wenn und soweit die Verfahrenskosten auf der Fortführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren beruhen.

Weiterer Konturierung bedarf außerdem die Verzahnung zwischen der materiell-rechtlichen Verfahrenskostenhaftung des Gesellschafters und dem insolvenzrechtlichen Vergütungsrecht.

Im Vergütungsrecht ist zwischen Entstehung der Vergütung (mit Arbeitsleistung), deren Fälligkeit (mit Erledigung der vergütungspflichtigen Tätigkeit) und deren verbindlicher Festsetzung (durch Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses) zu unterscheiden (vgl. BGH Urteil vom 29.6.2023 – IX ZR 152/22). In der Praxis erfolgt die Entnahme eines in der Regel erheblichen Teils der Vergütung über Vorschüsse. Zur Vorschussentnahme ist der Verwalter bei Zustimmung des Insolvenzgerichts berechtigt (§ 9 InsVV). Dauert das Verfahren länger als sechs Monate, hat der Verwalter im Regelfall auch einen entsprechenden Anspruch auf Zustimmung des Gerichts.

Es wird zu klären sein, wie die Verfahrenskostenhaftung im Detail in dieses System eingewoben wird, insbesondere ob die Zahlungspflicht des Gesellschafters an die Entstehung, die Fälligkeit, die Vorschussentnahme oder die Festsetzung der Vergütung anknüpft oder von diesem System unabhängig ist.

BGH, Urteil vom 21.11.2023 – II ZR 69/22 BeckRS 2023, 34895