Urteilsanalyse
Haftung für Beschädigung einer Tennishalle trotz Beachtung der anerkannten Sportregeln
Urteilsanalyse
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Ein Tennisspieler kann nach Ansicht des BGH eine vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht gedeckte Beschädigung der Tennishalle, in der er einen Tennisplatz gemietet hat, auch dann zu vertreten haben, wenn ihm kein Verstoß gegen die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) angelastet werden kann.

23. Mrz 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 06/2022 vom 18.03.2022

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Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nach beendetem Mietverhältnis Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache und entgangenem Gewinn.

Die Klägerin betreibt eine Tennishalle, in der der Beklagte als Freizeitsportler regelmäßig einen Tennisplatz gemietet hat. Der gemietete Tennisplatz ist im Abstand von 2,50 m von den Außenlinien mit großformatigen Fenstern verglast. Im Verlauf eines Spiels prallte der Beklagte gegen eine der Glasscheiben, die dadurch zerbrach. Die Klägerin ließ eine neue Fensterscheibe ca. drei Wochen nach dem Unfall einsetzen. Hierdurch entstanden Reparaturkosten i.H.v. 2.300 EUR. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten regulierte davon 776,22 EUR, weil ihrer Auffassung nach für die zerstörte Scheibe ein Abzug „neu für alt“ geboten sei.

Die Klägerin behauptet, der Austausch der Glasscheiben habe nicht früher erfolgen können. In der Zwischenzeit sei der Platz nicht vermietbar gewesen, wodurch ihr ein Gewinn i.H.v. 6.300 EUR entgangen sei.

Mit der vorliegenden Klage nimmt sie den Beklagten auf die restlichen Reparaturkosten, den entgangenen Gewinn und vorgerichtliche Anwaltskosten in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und dies damit begründet, der Beklagte habe sich an die internationalen Sportregeln gehalten. Damit scheide ein Verschulden des Beklagten aus. Diese im Rahmen der Haftung nach § 823 BGB für Sportverletzungen entwickelten Grundsätze gälten auch im vorliegenden Fall, da die Interessenlage in beiden Fallkonstellationen dieselbe sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom OLG zugelassenen Revision.

Entscheidung

Die Revision hat Erfolg.

Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts seien nicht ausreichend, einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB zu verneinen.

Der Mieter habe die ihm überlassenen Mieträumlichkeiten in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räumlichkeiten aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen könne. Dabei handle es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, die das Mietverhältnis begleite.

Gemäß § 538 BGB habe der Mieter allerdings Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Verbrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten. Hierunter könnten grundsätzlich auch Beschädigungen der Mietsache fallen.

Der Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs richte sich jeweils nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen. Vertragsgemäß seien nur solche Auswirkungen auf die Mietsache, welche ausschließlich auf dem üblichen Gebrauch im Rahmen des vereinbarten Vertragszwecks beruhen. Eine Beschädigung der Mietsache könne danach nur insoweit zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören, als sie von dem vereinbarten Vertragszweck umfasst werde.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beschädigung vom vereinbarten Vertragszweck gedeckt sein sollte, seien indessen weder festgestellt noch ersichtlich.

Die hier verursachte Beschädigung der Halle sei vom Vertragszweck des Tennisspiels nicht umfasst, weil sich dieser auf die räumlichen Grenzen des für die Sportausübung verfügbaren Raums beschränke. Auch habe der Beklagte die Lage des Platzes in der Halle gekannt und in Kenntnis seiner räumlichen Begrenzung gemietet. Zudem wurde noch in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren deutlich, dass die Parteien selbst den Mietvertrag nicht dahin verstehen, dass die Beschädigung der Verglasung der Außenwand der Tennishalle zum vertragsgemäßen Gebrauch des Tennisplatzes gehört habe.

Zu Unrecht sei das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen davon ausgegangen, hinsichtlich der Beschädigung der Glasscheibe fehle es an einem Verschulden des Beklagten. Denn für die Frage, ob der Beklagte die Beschädigung der Glasscheibe auch zu vertreten hat, könne nicht allein darauf abgestellt werden, ob der Beklagte die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) eingehalten hat.

Zwar sei im Ansatz zutreffend, dass die Haftung eines Sportlers aus § 823 Abs. 1 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Nachweis voraussetzt, dass dieser schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt habe. Dagegen scheide eine Haftung aus, wenn es sich um Verletzungen handle, die sich ein Sportler bei einem regelgerechten und dem - bei jeder Sportausübung zu beachtenden - Fairnessgebot entsprechenden Einsatz seines Gegners zuziehe. In einem solchen Fall habe sich der Schädiger jedenfalls nicht sorgfaltswidrig verhalten. Die Sorgfaltsanforderungen an den Teilnehmer eines Wettkampfs bestimmen sich nach den besonderen Gegebenheiten des Sports, bei dem sich der Unfall ereignet habe. Sie seien an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfs auszurichten und werden durch das beim jeweiligen Wettkampf geltende Regelwerk konkretisiert.

Diese Erwägungen könnten auf den vorliegenden Fall auch im Ergebnis nicht übertragen werden, weil die Interessenlage zwischen Vermieter und Mieter nicht derjenigen zwischen zwei an einem Wettkampf teilnehmenden Sportlern vergleichbar sei. Denn Vermieter und Mieter stünden sich nicht wie Teilnehmer eines sportlichen Wettkampfs wechselseitig gegenüber. Durch eine Beschädigung der Mietsache verwirkliche sich keine Gefahr, die Vermieter und Mieter unter gleichen Bedingungen und gemeinsam in Kauf genommen haben. Vielmehr würden im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses die Verantwortungsbereiche von Vermieter und Mieter hinsichtlich einer Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache durch § 538 BGB abgegrenzt. Der Vermieter, der Schadensersatz für eine von § 538 BGB nicht gedeckte Beschädigung der Mietsache geltend mache, verhalte sich nicht widersprüchlich.

Ein Tennisspieler, der in einer Halle auf einem gemieteten Tennisplatz spielt, könne somit eine vom vertragsgemäßen Gebrauch des Tennisplatzes nicht gedeckte Beschädigung der Tennishalle auch dann zu vertreten haben, wenn ihm kein Verstoß gegen die Tennisregeln der International Tennis Federation (ITF) anzulasten sei.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts zum Ausschluss eines Verschuldens des Beklagten könne danach mit der dafür angegebenen Begründung keinen Bestand haben.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist zuzustimmen.

Mit überzeugenden Argumenten stellt der BGH fest, dass eine Übertragung der Grundsätze bzgl. eines Verschuldens bei einem Sportunfall zwischen Wettbewerbern nicht auf den hiesigen Fall übertragbar ist.

Das OLG muss nun weitere Feststellungen zum Verschulden des Beklagten treffen. Nachdem unstreitig ist, dass der Mieter den Schaden verursacht hat, wird sein subjektives Vertretenmüssen indiziert und es greift die in § 280 Abs. 1 BGB verankerte Beweislastumkehr, wonach der Mieter beweisen muss, dass er nicht schuldhaft gehandelt i.S.d. § 276 BGB hat (Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, § 538 BGB Rn. 3a).

Hierbei wird es erheblich darauf ankommen, ob den Vermieter ein Mitverschulden trifft, indem zB der Abstand von 2,5 m zwischen Platzmarkierung und Glaswand für die Ausübung des Tennissports nicht ausreichend ist oder wenn festgestellt wird, dass die Verglasung der beschädigten Wand nicht den Normen einer Tennishalle entspricht. Wenn Letzteres – durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – festgestellt werden sollte, spricht vieles dafür, zumindest ein überwiegendes Mitverschulden des Vermieters anzunehmen, wobei auch ein vollständiger Wegfall der Ersatzpflicht in Betracht kommt (Grüneberg in Grüneberg, 81. Auflage 2022, § 254 BGB, Rn. 64).

BGH, Urteil vom 02.02.2022 - XII ZR 46/21 (OLG Celle), BeckRS 2022, 2957