Urteilsanalyse
Grundstückseigenschaft eines Feldweges
Urteilsanalyse
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Der Begriff "Grundstück" im Sinn des § 9 Abs. 5 StVO umfasst nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg alle nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten Grundflächen. Maßgebend ist, ob das Fahrzeug, das sich dorthin bewegt, den fließenden Verkehr verlässt. Ein Feldweg, der kurz nach der Einmündung durch ein Gatter abgesperrt ist, ist nicht dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmet und ist somit als Grundstück zu qualifizieren.

19. Mrz 2021

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 4/2021 vom 04.03.2021

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StVG §§ 717; StVO §§ 5 III 1, 9 IV

Sachverhalt

Das klägerische Fahrzeug fuhr außerorts direkt hinter dem Beklagtenfahrzeug, das nach links in einen abzweigenden Feldweg abbog. Genau in diesem Moment überholte das klägerische Fahrzeug und es kam zur Kollision. Das Landgericht hatte die Klage auf Ersatz der entstandenen Schäden abgewiesen.

Streit entstand bei im Übrigen nicht vollständig aufklärbarem Sachverhalt darüber, ob die Fläche, in die das Beklagtenfahrzeug abbiegen wollte, als Straße zu qualifizieren sei oder als Grundstück. Wenn es als Grundstück einzustufen war, dann galten für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs die besonderen Sorgfaltsvorschriften des § 9 Abs. 5 StVO. Beim Abbiegen in eine Straße nach links hätten dagegen «nur» die sonstigen Vorschriften, insbesondere die doppelte Rückschaupflicht, des § 9 StVO gegolten.

Rechtliche Wertung 

Der Senat wertet die Fläche als Grundstück. Ein Grundstück umfasse alle nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten Grundflächen. Maßgebend sei, ob man, fahre man auf diese Grundfläche, den fließenden Verkehr verlasse oder ob es auf dieser Grundfläche «irgendwie» weitergehe und sei es auch nur auf einem Feldweg.

Soweit in der ersten Instanz auf verschiedene Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte verwiesen worden sei, weist der Senat darauf hin, dass es sich einmal um einen jedenfalls faktisch befahrbaren Feldweg gehandelt habe und in dem anderen Fall sei es um einen nicht abgesperrten befahrbaren Wirtschaftsweg gegangen. Biege ein Fahrer aber wie hier auf den Beginn eines Feldweges ab, der dann sogleich gesperrt sei und eben gerade nicht für den Verkehr eröffnet sei, dann spreche der Beweis des ersten Anscheins für die geltenden höchsten Sorgfaltspflichten des Abbiegens auf ein Grundstück. Dieser Anscheinsbeweis sei auch nicht erschüttert worden.

Praxishinweis

Was ein Grundstück ist, sollte eigentlich nicht allzu schwierig in der Beurteilung sein. Es ist nicht so, dass Verkehrsrechtler allzu sehr in Feinheiten hineinbohren und eigene Definitionen eines Grundstücks aufstellen wollen, aber die rechtlichen Folgen sind deutlich unterschiedlich, je nachdem wie eine solche Fläche, in die hinein jemand fährt, beurteilt wird. Deshalb stellen wir die Entscheidung hier vor.

Die Entscheidung ist darüber hinaus in Bezug auf die Schadenhöhe ebenso interessant, weil sich der Senat zur Frage des Schmerzensgeldes mit der sogenannten Harmlosigkeitsgrenze einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung auseinander setzt.

OLG Oldenburg, Urteil vom 30.07.2020 - 14 U 13/18 (LG Oldenburg), BeckRS 2020, 41373