NJW-Editorial

Grenzen und Risiken der Rechtsberatung
NJW-Editorial

Dass die Revision im Strafverfahren gegen einen ehemaligen Großkanzleipartner und Steueranwalt wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung erfolglos war (Beschl. v. 7.7.​2025 – 1 StR 484/24, BeckRS 2025, 23556), ist auf den ersten Blick nicht überraschend, wenn man die Linie der Rechtsprechung spätestens seit der Entscheidung BGH NJW 2022, 90 zur Cum-Ex-Problematik zugrunde legt.

9. Okt 2025

Interessanter als die genuin steuerstrafrechtlichen Fragen sind daher die Ausführungen zur strafrechtlichen Verantwortung bei rechtlicher Beratung, die deutlich über den Fall hinausreichen (könnten). Zutreffend betont der Senat, dass der Rechtsrat anwaltliche Aufgabe ist und dass der Bürger im Rechtsstaat ein Recht auf juristische Beratung hat, selbst wenn dieser Rat ihn zu einer Straftat motivieren kann. Ebenso überzeugend ist umgekehrt, dass ein solches Rechtsberatungsprivileg zunächst vor allem bei inhaltlich richtigen Auskünften besteht. Da aber rechtliche Aussagen nicht immer ohne Weiteres als „richtig“ oder „falsch“ bewertet werden können, dehnt der BGH das Privileg zu Recht auf Rechtsauskünfte aus, die selbst bei einer Abweichung von der „zutreffenden“ oder jedenfalls herrschenden Meinung zumindest lege artis verfasst und damit vertretbar sind – und in denen darauf hingewiesen wird, dass es auch abweichende Auffassungen gibt. Natürlich gibt es hier Grenzfälle – aber die gehören zur Rechtsanwendung dazu und sprechen nicht gegen dieses Grundkonzept.

Konsequent ist jedenfalls, dass das bewusste Verschweigen von ernstzunehmenden anderen Auffassungen zu einer Strafbarkeit führen kann. Problematisch ist dagegen, wenn der Senat betont, eine Rechtsauskunft könne „auch dann unrichtig sein, wenn der Begutachtung bewusst ein falscher oder unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt wird, um zu dem gewünschten rechtlichen Ergebnis zu gelangen“. Dies mag der Fall sein, wenn der Gutachter (ausnahmsweise!) gegenüber dem Auftraggeber überlegene Kenntnis vom Sachverhalt hat. Wenn die Mitteilung eines unrichtigen Sachverhalts zusammen mit dessen rechtlicher Bewertung geeignet ist, einen Tatentschluss zu bestärken, kommt das als Beihilfe in Betracht.

Diese Aussage darf aber nicht überbewertet werden. Denn der Normalfall ist gerade der umgekehrte, dass der Sachverhalt dem Gutachter vorgegeben wird und dieser ihn so begutachtet, wie er ihn vom Mandanten erhalten hat. Selbst wenn der Anwalt wissen sollte, dass ihm ein unrichtiger Sachverhalt vorgelegt wird – solange dieser dann zutreffend bzw. vertretbar rechtlich bewertet wird, kann es keine Beihilfe geben. Allein das entspricht auch dem Konzept der psychischen Beihilfe: Wer einen unrichtigen Sachverhalt zur Begutachtung vorlegt, hat keinen Grund, sich durch dessen Begutachtung objektiv darin bestärkt zu sehen, eine davon abweichende Tat zu begehen. 

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Prof. Dr. Hans Kudlich, Universität Erlangen-Nürnberg.