NJW-Editorial
Grenzen digitaler Staatskommunikation
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Google, Facebook & Co. verändern die Staatskommunikation. Der Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern wird immer direkter. So kann eine Ministerin Follower sammeln – und mit einem Post Tausende erreichen. Digitale Plattformen erlauben diese kommunikative Abkürzung an den Medien als Mittler vorbei. Das ist grundsätzlich zulässig, solange sich staatliche Stellen dabei innerhalb ihrer Zuständigkeitsgrenzen und Aufgabenbereiche bewegen. Schließlich ist Staatskommunikation funktionaler, nicht freiheitlicher Natur.

4. Mrz 2021

Deswegen ist ein aktueller Konflikt beachtenswert: Um Desinformation im Netz entgegenzuwirken, ging das Portal gesund.bund.de des Bundesministeriums für Gesundheit eine Kooperation mit der Suchmaschine Google ein. Das aus Steuermitteln finanzierte Portal soll Informationen über Gesundheitsrisiken vermitteln. Google dagegen ist mit einem Marktanteil von rund 90 Prozent Quasi-Monopolist für Recherchen im Netz. Sucht eine Nutzerin nach Begriffen wie „Arthrose“ oder „Depression“, sollte sie neben regulären Treffern immer auch einen farblich unterlegten Infokasten erhalten. Hiergegen wendete sich der Burda-Verlag, der das private Angebot Netdoktor betreibt. Und das mit Erfolg: Das LG München I untersagte die Kooperation im Eilverfahren sowohl der Bundesrepublik Deutschland als auch dem Unternehmen Google (Urt. v. 10.2. 2021 – 37 O 15721/20, GRUR-RS 2021, 1338 und 37 O 15720/20, GRUR-RS 2021, 1339). Dabei ging es nicht um konkrete Inhalte des Gesundheitsportals, sondern um ihre Platzierung im Wettbewerb. Die Vereinbarung mit der Suchmaschine führe zu einem maßgeblichen Vorteil gegenüber privaten Anbietern. Oder wie es der Bundesminister für Gesundheit in einer Pressemitteilung zur Zusammenarbeit ausdrückte: „Wer Gesundheit googelt, soll künftig auf dem Nationalen Gesundheitsportal landen.“

Es ist zu erwarten, dass diese und andere Verfahren weiterhin hohe Wellen schlagen werden. Denn grundlegende Fragen sind zu klären: Ist es eine staatliche Aufgabe, Bürgerinnen und Bürger über Gesundheitsrisiken zu informieren? Darf sich der Staat dafür einsetzen, dass eigene Informationen gegenüber anderen bevorzugt werden? Wann überschreitet er die Grenze zur Medienähnlichkeit? Noch grundlegender geht es aber um eine Grenzziehung: Was bedeutet der Grundsatz der Staatsferne unter Netzbedingungen? Entwickelt wurde er in Bezug auf die Medien. Der Staat darf die Berichterstattung weder unmittelbar noch mittelbar beherrschend beeinflussen. Schließlich hatten Medien vormals die Zentralposition, um Öffentlichkeit herzustellen. Nunmehr lassen sich auch die großen Plattformen gezielt nutzen, um sich im Wettbewerb um Aufmerksamkeit Vorteile zu sichern. Angesichts dieser veränderten Kommunikationsordnung ist neu zu bestimmen, inwiefern staatliche Kommunikation direkt neben private treten darf – und was das für gesellschaftliche Freiheitsgrade bedeutet. •

Prof. Dr. Tobias Gostomzyk ist Inhaber einer Professor für Medienrecht an der TU Dortmund.