Urteilsanalyse
Grenzen der Einziehung von Arzthonoraren gemäß § 73 StGB
Urteilsanalyse
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Wird das Arzthonorar nicht aufgrund einer rechtswidrigen Tat erlangt und auch nicht als Gegenleistung für ein rechtswidriges Tun gewährt, so kann es nicht im Rahmen des § 73 Abs. 1 StGB eingezogen werden, so der BGH.

7. Mrz 2023

Anmerkung von 
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Sebastian Braun, LEX MEDICORUM, Leipzig
 
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 03/2023 vom 03.03.2022

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Sachverhalt

Der Angeklagte führte in seiner Praxis kosmetische Operationen durch. Insbesondere bot er Eingriffe an, bei denen Patienten Körperfett entnommen und ein Teil dieser Fettzellen in anderen Körperregionen, wie zum Beispiel Gesäß, Brüste etc. wieder integriert wurde. Diesbezüglich bestand keine medizinische Indikation. In den zur Anklage gebrachten Fällen hatte der Arzt bei zwei Patientinnen einen enorm hohen Anteil an Gewebeflüssigkeit abgesaugt und ebenfalls eine große Menge von Fettgewebe wieder in andere Körperregionen appliziert. Aufgrund dessen verstarben beide an einem Kreislaufversagen, wofür u.a. die Entnahme der großen Menge Gewebeflüssigkeit, der bei der Operation erlittene Blutverlust sowie eine mäßige Reduzierung der Lungenfunktion ursächlich waren. Allerdings hatte der Angeklagte die Geschädigten vor den Eingriffen nicht über diese Risiken aufgeklärt, insbesondere blieben lebensgefährliche Komplikationen bei der Entnahme und Zuführung großer Gewebemengen unerwähnt. Es war davon auszugehen, dass beide Geschädigte in Kenntnis dieser Umstände nicht in die Operation eingewilligt und von dem Eingriff Abstand genommen hätten. Aufgrund dessen verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen und ordnete auch die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 26.000 EUR an. Dies entsprach dem Honorar, das der Arzt von den Patientinnen erhalten hatte. Gegen diese Entscheidung richtete sich der Angeklagte mit seiner Revision.

Entscheidung

Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung den Schuldspruch sowie die ebenfalls erfolgte Anordnung eines Berufsverbots. Allerdings hat die Revision des Angeklagten teilweise Erfolg, da der Angeklagte das Arzthonorar nicht im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt habe und es daher nicht zur Anordnung der Einziehung hätte kommen dürfen. Eine solche komme gemäß § 73 Abs. 1 StGB nur in Betracht, wenn das ärztliche Honorar „durch“ die Tat oder „für die Tat“ erlangt wird. Beide Varianten seien jedoch vorliegend nicht erfüllt gewesen:

Der Angeklagte habe das Arzthonorar nicht „durch die Tat“ erlangt, da er es nicht aufgrund der rechtswidrigen Tat erhalten habe, sondern im Rahmen des abgeschlossenen Behandlungsvertrages.

Auch die Variante „für die Tat“ sei nicht erfüllt. „Für die Tat“ seine diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, also nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen. Vorliegend habe der Angeklagte das Honorar nicht als Gegenleistung für die begangene Körperverletzung mit Todesfolge erhalten, mithin nicht als Lohn für die Tat.

Da die Geschädigten das ärztliche Honorar vielmehr in Annahme einer rechtmäßigen Behandlung und gerade nicht für die Vornahme einer rechtswidrigen Tat zahlten, mangele es vorliegend an „etwas Erlangtem“ im Sinne des § 73 StGB, sodass die Einziehung rechtswidrig gewesen ist.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist vollends zuzustimmen. Der BGH hat lehrbuchartig dargelegt, warum vorliegend keine Einziehung erfolgen konnte. Allerdings zeigt die Entscheidung noch einmal, wie genau man bei der Frage der Einziehung sein muss. In Medizinstrafverfahren spielt § 73 StGB regelmäßig in den wirtschaftsstrafrechtlichen Delikten, wie zum Beispiel der §§ 299a, b StGB oder beim Abrechnungsbetrug, eine entscheidende Rolle und wird in der Praxis häufig zur Anwendung gebracht. Allerdings muss dann geprüft werden: Besteht der Anspruch auf Einziehung tatsächlich noch oder ist er bereits erloschen, § 73e StGB? Letzteres ist in Abrechnungsbetrugsfällen regelmäßig der Fall, wenn z.B. der Vertragsarzt das erhaltene Honorar im Rahmen einer Abrechnungsprüfung der KV zurückerstatten musste. Dann kann eine Einziehung nicht mehr in Betracht kommen (vgl. vertiefend auch Ulsenheimer/Gaede/Ulsenheimer/Dießner, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. Rn. 2023). Im Rahmen der Verteidigung muss jedoch die Ermittlungsbehörde darauf mitunter explizit hingewiesen werden.

Weiterhin verdeutlicht die Entscheidung noch einmal die Wichtigkeit einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Hier kann nicht genug betont werden, dass es zu einem funktionierenden Compliance-Management-System gehört, die notwendigen Elemente der Aufklärung vorab abzustecken und diese auch ordnungsgemäß zu dokumentieren.

BGH, Urteil vom 02.11.2022 - 3 StR 162/22 (LG Düsseldorf), BeckRS 2022, 38868