Kolumne
Gno­thi se­au­ton
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Foto_Markus_Hartung_WEB
© Frank Eidel
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Für das An­walt­s­image en­de­te 2021 mit einem Pau­ken­schlag, näm­lich mit der acht­tei­li­gen Mi­ni­se­rie „Legal Af­fairs“ – aus dem Leben einer Rechts­an­wäl­tin in Ber­lin, die bei Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zun­gen hilft. Bou­le­vard, schnel­le Schnit­te, un­glaub­li­che Ge­schich­ten. Sex, Crime und mensch­li­che Ab­grün­de. Hym­ni­sche Kri­ti­ken über Haupt­dar­stel­le­rin und Mach­art der Serie, in­spi­riert von einem real exis­tie­ren­den Ber­li­ner Me­di­en­an­walt, der mit­pro­du­ziert und in einer der Epi­so­den einen Cameo-Auf­tritt hat. Fast zu gut für das öf­fent­lich-recht­li­che Fern­se­hen, hieß es.

5. Jan 2022

Ob die Prot­ago­nis­tin nun Lea Roth (so die FAZ) oder Leo Roth (kurz für Leo­nie, so zu­tref­fend die SZ) heißt, spielt keine Rolle, denn wer kennt noch den Vor­na­men des Ur­ahns aller deut­schen An­walts­se­ri­en, Lieb­ling Kreuz­berg? Aber den Nach­na­men, den kennt man noch. Ob man Leo Roth in ei­ni­gen Jah­ren auch noch er­in­nert, wird sich wei­sen, ver­dient hätte sie es. An­walts­se­ri­en sind un­ge­heu­er po­pu­lär, immer Prime Time, von ei­ni­gen kennt man noch die Namen, Edel & Starck etwa, oder die ad­vo­ca­ti pau­per­um Danni Lo­win­ski und Gre­gor Eh­ren­berg. Dann noch Danny Crane und Alan Shore, Mike Ross und Har­vey Spec­ter, die Hei­land und noch viele mehr. An­walts­ge­schich­ten gehen immer, denn sie spie­len im pral­len Leben, in dem das Gute meis­tens ge­winnt, An­wäl­te Meis­ter der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung sind und das Be­rufs­recht eine eher nach­ge­ord­ne­te Rolle spielt. Mit Ver­schwie­gen­heits­pflicht und Sach­lich­keits­ge­bot kann man ein­fach keine guten Ge­schich­ten er­zäh­len. Kürz­lich wurde be­klagt, Wirt­schafts­an­wäl­te seien in Tat­ort-Kri­mis zu­ver­läs­sig immer die Bösen, aber das lässt sich nicht hal­ten: Im wirk­li­chen TV-Leben kommt ohne An­walt nie­mand zu sei­nem Recht.

Das stimmt auch sonst. Unser An­walts­le­ben ist al­ler­dings we­ni­ger spek­ta­ku­lär, nicht immer so se­die­rend wie eine Kam­mer­ver­samm­lung, aber von TV-Se­ri­en doch weit ent­fernt. Wel­ches Bild haben An­wäl­te von sich? Wenn vom Be­rufs­bild der An­walt­schaft die Rede ist, gibt es Streit, meis­tens zu Recht, denn sie ist viel zu bunt, als dass es nur ein Be­rufs­bild gäbe. Gibt es etwas, das uns eint? Nur die Core Va­lu­es kön­nen es nicht sein, denn das sind eher Se­kun­där­tu­gen­den. An­wäl­te sind in einer Iden­ti­fi­ka­ti­ons­kri­se, das merkt man an den Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Legal-Tech-Un­ter­neh­men. Der Wett­be­werb wird viel zu ver­zagt aus­ge­tra­gen, ob­wohl un­längst eine Stu­die her­aus­ge­fun­den hat, dass der Gro­ß­teil der An­walt­schaft Legal-Tech-An­bie­ter nicht als wirk­li­che Kon­kur­renz emp­fin­det. Ob An­walts­funk­tio­nä­re das wis­sen? Denn be­kämpft wer­den Legal Techs trotz­dem, als könn­ten sie uns ge­fähr­lich wer­den. Dabei haben An­wäl­te nur einen Kon­kur­ren­ten: den bes­se­ren An­walt.

Die Ampel-Ko­ali­ti­on will die An­walt­schaft durch Lo­cke­run­gen bei Er­folgs­ho­no­ra­ren und Über­prü­fung des Fremd­be­sitz­ver­bots stär­ken. Müs­sen wir er­geb­nis­of­fen dis­ku­tie­ren. Aber auch: Wer sind wir, was ist un­se­re Rolle in der di­gi­ta­li­sier­ten Welt?

Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.