Kolumne
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© Markus Hartung/Frank Eidel

Seit über vier Jahren geht es in dieser Kolumne um Rechtsmarkt und Marktteilnehmer. Das sind in erster Linie Anbieter und Nachfrager von Rechtsdienstleistungen, aber es gibt auch sonstige Nutznießer oder manchmal Leidtragende, Richter ordnen sich ja manchmal Letzteren zu. Auf der Anbieterseite finden sich meistens Rechtsdienstleistungsunternehmen, Anwälte oder andere. Insoweit passen der diesjährige Anwaltstag mit seinem Motto „Die Kanzlei als Unternehmen“ und die Kolumne bestens zusammen.

18. Jun 2020

Natürlich ist der Rechtsmarkt kein Markt wie jeder andere, Anwälte als Anbieter dürfen längst nicht alles, auch wenn sie dasselbe wie ein Inkassounternehmen tun, aber das ist ein anderes Thema. Anwälte unterliegen aus guten Gründen Beschränkungen, im Großen und Ganzen halten sie sich auch daran. Aber unlängst wurden heftige Vorwürfe laut. Der Markt habe sich längst vom „Idealbild des Rechtsanwalts“ entfernt, das „System“ sei „insbesondere bei den Großkanzleien allein auf Gewinnmaximierung ausgerichtet“, kritisierte der Berufsrechtler Christian Wolf in einem Juve-Streitgespräch über Berufsethos und Beraterhaftung. Das zeige „gerade der Steuerskandal um Cum-Ex-Deals, mit denen der Staat um Milliarden geprellt“ worden sei. Das Berufsrecht sei unzureichend und die Kammern schlichtweg nicht in der Lage, den Großkanzleien auf Augenhöhe Einhalt zu gebieten.

Das war schon etwas sehr verallgemeinernd, vielleicht auch ein nur landsmannschaftlich zu erklärender Rant. Aber einen Kern hatte das schon, denn Anwälte als freie Unternehmer mit hohem Gemeinwohlbezug bewegen sich durch schweres Gelände. Das zeigt auch das Programm des virtuellen Anwaltstags, wo etwa darüber diskutiert wird, ob das anwaltliche Werteverständnis und der unternehmerische Profitgedanke zusammenpassen oder wann das Geldverdienen für Anwälte unmoralisch wird. Alles Dauerbrenner, die natürlich an den Beitrag von Martin Henssler in AnwBl 2008, 721 über die Anwaltschaft zwischen Berufsethos und Kommerz anknüpfen, mit dem die Ethikdebatte angestoßen wurde, die bis heute andauert, wenn auch längst nicht mehr so geräuschvoll wie vor ein paar Jahren. Damals ging es auch um die Frage, ob die Anwaltschaft Ethikrichtlinien brauche, da ging es hoch her. Während aber Gemeinwohlbezug und unternehmerisches Verhalten nach wie vor einen Spagat darstellen, den nicht jeder bewältigt, ist immerhin die Frage nach dem Sinn von Ethikrichtlinien für die Anwaltschaft geklärt: verzichtbar. Alle Versuche sind nicht viel weitergekommen als das, was das Berufsrecht ohnehin vorsieht. Hielte sich jeder daran, wären wir deutlich weiter. Kürzlich hat eine Kanzlei unter viel Presserummel ihre neuen ethischen Grundsätze veröffentlicht und sich zur „gewissenhaften Befolgung des Berufsrechts“ verpflichtet. Die bloße Befolgung reichte offenbar nicht. Immerhin haben solche Richtlinien etwas Gutes, weil sie das anwaltliche Berufsrecht in lesbare Form bringen. Manche brauchen das. •

Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.