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Natürlich habe ich es schon gemacht. Jedenfalls versucht. Sie bestimmt auch. Können Sie ruhig zugeben, ist ja auch erstmal nicht verboten. Muss man auch mal gemacht haben, sonst kann man nicht mitreden. Ist es nicht verrückt, was eine Software alles produzieren kann, nur auf Grundlage kurzer Anweisungen, Prompts genannt? Fast als hätte man es selbst geschrieben. Fast. Irgendwas stimmt vielleicht nicht, lieber nochmal recherchieren.

11. Jul 2025

Die Fähigkeiten generativer KI entwickeln sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Es gibt Programme extra für Juristen, ein Anbieter kooperiert jetzt mit dem Deutschen Anwaltverein und bietet Mitgliedern Sonderkonditionen an. Auch in der Justiz gibt es Pilotprojekte, und irgendwann werden es nicht mehr nur die Massenverfahren sein, die man damit in den Griff bekommen will. Generative KI hilft beim ­Erstellen von Texten, bewirkt bessere Rechercheergebnisse, unterstützt bei der Überprüfung der eigenen Argumentation, wertet mehrere Schriftsätze aus, strukturiert die Argumente und schlägt eine Entgegnung vor. Sie kann auch sehr komplexe Gerichtsurteile zunächst mal in lesbare Form umwandeln, dann aber auch Lücken eines Urteils analysieren, durch die man vielleicht doch noch mal schlüpfen kann.

Diese Wunderwerke der Softwaretechnik haben nur einen Nachteil: Man kann ihnen nicht trauen. Nicht immer jedenfalls. Zum einen neigt die Software dazu, Dinge zu erfinden, sie halluziniert, und zwar mit so wohlformulierten Sirenengesängen, dass Sie schon ein Experte sein müssen, um das zu merken. Und die Trainingsdaten möchte man sich lieber auch nicht so genau anschauen. Hier gilt in Abwandlung des Bismarck zugeschriebenen Sprichworts, dass Sprachmodelle wie Würste sind: Man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden. Das Datenmeer des Internets ist in weiten Teilen eine Kloake. Für eine Profession, deren Grundlage Vertrauen ist und die nur mit ­vertrauenswürdigen Quellen arbeiten sollte, ist das alles ein No-Go.

Interessanterweise öffnen sich hier große Chancen für eine Branche, die den Ruf einer gewissen Verstaubtheit hat. Die Rede ist von den juristischen Fachverlagen. Wenn Sie sich mal einen Moment die Kernprodukte dieser Verlage wegdenken – Bücher –  und sich anschauen, was bleibt, dann sind es: Daten. Viele Daten, wahnsinnig viele Daten aus Urteilen, Büchern, Kommentaren, sonstigen Werken. Wir Juristen trauen den Datenbanken blind, niemand kontrolliert im Printwerk, ob das da wirklich steht. Sprachmodelle kann jeder „bauen“, aber eine ­juristische Datenbank aufzubauen und zu pflegen, dauert Jahrzehnte. Die Kombination von generativer KI und den Datenbanken der Fachverlage liefert uns das, was wir brauchen: Hochwertige juristische Texte auf vertrauenswürdiger Datengrundlage. Das ist die gute Nachricht. Die, nun ja, andere Nachricht ist die: Es wird jetzt ernst. Denn das, was ­solche Software kann, kommt dem, was juristische Tätigkeit ist, doch schon sehr nah.

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.