Urteilsanalyse
Gewinnanspruch aus indirekter Mitarbeiterbeteiligung
Urteilsanalyse
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Gewinnansprüche aus einer sog. indirekten Mitarbeiterbeteiligung, bei der eine Beteiligungsgesellschaft die Anteile der Arbeitnehmer am Unternehmen des Arbeitgebers hält, beruhen i.d.R. auf einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage. Sie sind – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – gegenüber der Beteiligungsgesellschaft und nicht gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, so das BAG.

16. Mrz 2022

Anmerkung von
RAin Dr. Ricarda Zeh, LL.M. (Columbia), Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 09/2022 vom 10.03.2022

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Sachverhalt

Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen. Der Kläger war von 1994 bis Ende 2016 als Beton- und Stahlbetonbauer beschäftigt. Seit 2013 war er durchgehend arbeitsunfähig. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Gewinnbeteiligung für das Jahr 2016. Bei der Beklagten besteht die Möglichkeit einer Mitarbeiterbeteiligung. Hierzu schlossen die Beklagte und ihr Betriebsrat die Betriebsvereinbarung 1974 (BV 1974). Nach § 2 BV 1974 erhalten die 1975 beschäftigten Arbeitnehmer eine Beteiligungsprämie mit der sie an einer Beteiligungsgesellschaft teilhaben. Nach § 4 BV 1974 erhalten auch zukünftige Betriebsangehörige anlässlich ihrer Arbeitnehmerjubiläen Beteiligungsprämien, mit denen sie an der Beteiligungsgesellschaft teilhaben. Nach § 8 BV 1974 sollen die auf die Beteiligungsgesellschaft entfallenen Gewinne an die Betriebsangehörigen ausbezahlt werden. Im Jahr 2016 fassten die Beklagte und ihr Betriebsrat die BV 1974 mit Wirkung zum 1.1.2016 neu. Nach § 4 BV 2016 besteht der Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung nur, wenn der Arbeitnehmer mindestens 7 Monate im vorausgegangenen Kalenderjahr gearbeitet hat.

Daneben besteht ein Gesellschaftsvertrag der Beteiligungsgesellschaft. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrags sind die anteiligen Gewinne und Verluste der Beteiligungsgesellschaft auf die einzelnen Gesellschafter zu verteilen.

Mit seiner Klage fordert der Kläger die Auszahlung der Gewinnbeteiligung für das Jahr 2016. ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Nach Auffassung des BAG hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung gegen die Beklagte. Die BV 1974 vermittle keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Die BV 1974 enthalte in §§ 2,4 lediglich Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Beklagte auf eine Beteiligungsprämie, nicht auf eine Gewinnbeteiligung. Ein Anspruch auf Gewinnbeteiligung könnten sich allerdings gegenüber der Beteiligungsgesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben. Diesen gesellschaftsrechtlichen Anspruch habe der Kläger jedoch nicht eingeklagt. Da es sich bei dem gesellschaftsrechtlichen Anspruch gegen die Beteiligungsgesellschaft um einen anderen Streitgegenstand handele, bestehe keine Bindung oder Rechtskraftwirkung. Es bestehe auch keine Einstandspflicht der Beklagten aus der BV 1974 für den Anspruch gegen die Beteiligungsgesellschaft. Auch aus einer analogen Anwendung von § 1 I 3 BetrAVG lasse sich keine Einstandspflicht herleiten. Dieser Norm liege die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde, eine gefestigte Rechtsprechung im Betriebsrentenrecht zu normieren. Damit fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Auch sei die Interessenslage nicht vergleichbar. Nach dem BetrAVG muss der Arbeitgeber für eine arbeitsvertragliche Grundverpflichtung einstehen, deren Erfüllung er lediglich ausgelagert hat. Hier habe der Arbeitgeber aber schon gar keine arbeitsvertragliche Grundverpflichtung eingegangen, eine Gewinnbeteiligung zu leisten.

Anders als vom LAG angenommen, sei der Anspruch jedoch nicht nach § 4 BV 2016 ausgeschlossen. Die Bestimmung sei unwirksam, da die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz überschritten hätten. Die Betriebsparteien hätten keine Kompetenz, die gesellschaftsrechtliche Seite der Mitarbeiterbeteiligung zu regeln. Gegenstand einer Betriebsvereinbarung könne lediglich die arbeitsrechtliche Seite, also der Anspruch auf die Beteiligungsprämie sein. Nehme der Arbeitnehmer allerdings die Beteiligungsprämie und bringe sie in die Beteiligungsgesellschaft ein, sei er damit Gesellschafter der Beteiligungsgesellschaft geworden. Dieser Bereich, insbesondere die spätere Gewinnbeteiligung, sei der Regelungskompetenz der Betriebsparteien entzogen. Insbesondere könnten die Betriebsparteien nicht den Besitzstand des Arbeitnehmers wieder einschränken.

Praxishinweis

Die Trennung des arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Teils der Mitarbeiterbeteiligung überzeugt. Die Betriebsparteien dürfen die Voraussetzungen für die Auszahlung der Beteiligungsprämie regeln. Hat der Arbeitnehmer diese aber in die Beteiligungsgesellschaft eingebracht, richtet sich der Anspruch auf Gewinnbeteiligung allein nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen.


BAG, Urteil vom 10.11.2021 - 10 AZR 696/19 (LAG Niedersachsen), BeckRS 2021, 45682