NJW-Editorial
Gesetze zu Ende denken
NJW-Editorial
Foto_Oliver_Loeffel_WEB
Foto_Oliver_Loeffel_WEB

Mit dem bereits vom Bundestag beschlossenen „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ sollen schwerpunktmäßig missbräuchliche Abmahnungen eingedämmt werden. Laut der Entwurfsbegründung mehrten sich „Anzeichen“ für deren Zunahme. Einen empirischen Belege gibt es hierfür nicht. Das Gesetz ist daher eine Überreaktion – und nicht zu Ende gedacht.

24. Sep 2020

Der Bundestag hat am 10.9. das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ in letzter Lesung verabschiedet. Damit sollen schwerpunktmäßig missbräuchliche Abmahnungen eingedämmt werden. Laut der Entwurfsbegründung mehrten sich „Anzeichen“, dass trotz bestehender Regelungen missbräuchliche Abmahnungen ausgesprochen würden (BT-Drs. 19/22238). Seriöse Studien bzw. eine Faktengrundlage hierzu wurden im Gesetzgebungsverfahren nicht vorgelegt. Keine Frage: Es gibt missbräuchliche Abmahnungen aufgrund des Lauterkeitsrechts (UWG). Sie wird es immer geben, solange es die Abmahnung als außergerichtliches Streitbeilegungsmittel gibt. Schwarze Schafe bekommt die Rechtsprechung aber gut in den Griff. Das Gesetz ist daher eine Überreaktion – und nicht zu Ende gedacht. Hierzu zwei Beispiele.

Verletzt ein Online-Händler Informations- oder Kennzeichnungspflichten und wird er von einem stationären Händler abgemahnt, muss Ersterer die Kosten für die Abmahnung dieser Rechtsverletzungen jetzt nicht mehr erstatten (§ 13 IV Nr. 1 UWG nF). Mahnt der Online-Händler den stationären Händler ab (für ihn gelten vielfach auch Informations- oder Kennzeichnungspflichten), muss Letzterer die Abmahnkosten zahlen.
Das heißt: Während der stationäre Handel in der Corona-Krise ums Überleben kämpft, wird ein Gesetz verabschiedet, das ihn gegenüber dem Online-Handel ohne Grund massiv benachteiligt.

Der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen unter anderem im elektronischen Geschäftsverkehr wird eingeschränkt. Bisher konnten unlautere Handlungen im Internet bundesweit bei gerichtlichen Kompetenzzentren wie etwa den Landgerichten Düsseldorf oder Frankfurt a.M. verfolgt werden. Die dort tätigen erfahrenen Richter sind für alle Beteiligten ein Segen (UWG ist überwiegend Fallrecht). Für alle Wettbewerber gilt faktisch die strengste Rechtsauffassung als Maßstab. Zukünftig soll für UWG-Klagen das Landgericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Damit löst das Gesetz kein Problem, das mit missbräuchlichen Abmahnungen zu tun hat. Stattdessen entscheiden nun im UWG unerfahrene Richter und es kommt zu Wettbewerbsverzerrungen. Hätte man vor der Verabschiedung des Gesetzes zu Ende gedacht, wäre auch die Inländerdiskriminierung aufgefallen: Unternehmen aus dem Ausland können auch in Zukunft regelmäßig bei den gerichtlichen Kompetenzzentren klagen, weil die Brüssel-Ia-VO den fliegenden Gerichtsstand ermöglicht. Das Gesetz diskriminiert deutsche Unternehmen, welche diesen Vorteil bei der Verfolgung unseriös handelnder Akteure nicht haben sollen.

Wird der Bundesrat Kollateralschäden verhindern? •

Oliver Löffel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in Düsseldorf.