NJW-Editorial
Geschlechtsneutrale Gesetzessprache
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Der Diskurs um die geschlechtergerechte Ausgestaltung von Sprache kann und muss notwendigerweise auch die Gesetzessprache erfassen, die in ihrem Inhalt und auch in ihrer Diktion ein Spiegel der gesellschaftlichen Ordnung ihrer Zeit ist. Dabei besteht Konsens, dass Gesetzessprache die Gleichstellung der Geschlechter zum Ausdruck bringen sollte (vgl. § 4 III BGleiG, § 42 V GGO). 

4. Feb 2021

Allein − der Weg dahin ist steinig. Einerseits streitet die Verständlichkeit für das generische Maskulinum, andererseits ist dieses zumindest geeignet, das weibliche (und jedes andere) Geschlecht gedanklich auszulöschen. Auch die Rechtsprechung ist in dieser Frage uneins: Der BGH hält es aufgrund des geltenden Sprachgebrauchs für hinreichend geschlechtsneutral (BGH, NJW 2018, 1671), andere Gerichte widersprechen (z.B. OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632).

Es liegt in der Freiheit des Gesetzgebers, die für und wider eine bestimmte Form geschlechtsneutraler Sprache streitenden Argumente abzuwägen und sich für eine der vielfältigen Gestaltungsformen zu entscheiden. Gerade die bewusste Verwendung einer Sprache, die geschlechtliche Neutralität zum Ausdruck bringen soll, bedarf aber besonderer Sorgfalt, soll sie nicht ungewollt ins Gegenteil verkehrt werden, wie dies seit einiger Zeit in der arbeitsrechtlichen Gesetzgebung zu beobachten ist. Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geht der Gesetzgeber zunehmend dazu über, anstelle des generischen Maskulinums Paarbezeichnungen zu verwenden; § 6 AGG definiert den Beschäftigen als „Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer“, den Arbeitgeber als „Arbeitgeber und Arbeitgeberin“. Diese beidseitig geschlechtsneutrale Darstellung der Arbeitsvertragsparteien wird aber nicht durchgehalten; vielmehr wird weiterhin regelmäßig von „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“ gesprochen, „der Arbeitgeber“ demgegenüber durchgängig allein mit der männlichen Bezeichnung belegt, etwa in den Begründungen zum Gesetz zur Einführung einer Brückenteilzeit sowie zu den Entwürfen für ein Mobile-Arbeit-Gesetz und ein Betriebsrätestärkungsgesetz.

Man mag zum generischen Maskulinum stehen, wie man will − aus gleichstellungspolitischen Gründen erscheint es kaum vertretbar, bei der Bezeichnung des abhängig Beschäftigten sprachlich alle Geschlechter einzubeziehen, den als strukturell überlegen angesehenen Arbeitgeber demgegenüber allein mit dem generischen Maskulinum zu bezeichnen. Dies gilt umso mehr, als „der Arbeitgeber“ ganz überwiegend eine Gesellschaft ist, mithin das verwandte Maskulinum nicht einmal dem grammatischen Geschlecht entspricht. Zur Vermeidung derartiger Diskrepanzen dürfte es sich daher anbieten, den gewählten Sprachgebrauch zumindest innerhalb eines Normtextes einheitlich zu gestalten. Irritationen, die der Entwicklung einer geschlechtergerechten Sprache eher schaden denn nützen, ließen sich dadurch vermeiden. •

Dr. Nathalie Oberthür ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und für Sozialrecht in Köln sowie Mitherausgeberin der NJW.