NJW-Editorial
Gerechtigkeit durch Transparenz?
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Foto_Nathalie_Oberthuer_WEB
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Das Bundesarbeitsgericht hat den Anwendungsbereich des Entgelttransparenzgesetzes auf freie Mitarbeiter erweitert, soweit diese zwar nicht nach nationalem Recht, wohl aber nach Unionsrecht als Arbeitnehmer anzusehen sind. Nur dies gewährleiste die sachgerechte Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Chancengleichheit von Männern und Frauen in Beschäftigungsfragen, befand es mit Urteil vom 25.6.2020 (Az.: 8 AZR 145/19). Ein schöner Erfolg zugunsten der Entgeltgerechtigkeit, könnte man meinen.

24. Jul 2020

Dass diese durch das Entgelttransparenzgesetz nicht nennenswert gefördert wird, ist allerdings die bedauerliche Realität. Das LAG Niedersachsen hat schon im vergangenen Jahr zutreffend festgestellt, dass die nach § 11 EntgTranspG zu erteilende Auskunft über den Median der Vergütung des anderen Geschlechts weitgehend wertlos ist; sie gibt insbesondere keinen Aufschluss über die durchschnittliche Vergütung der Geschlechtergruppen und begründet damit keine Indizwirkung für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung (NZA-RR 2019, 629). Dem LAG erscheint das Gesetz deshalb „missglückt“. Auch der Bericht, den die Bundesregierung zur Evaluierung der Wirksamkeit des Entgelttransparenzgesetzes in Auftrag gegeben hat, empfiehlt, die Aussagekraft der Auskunft durch eine Erweiterung der zu gewährenden Informationen „zu erhöhen“. Die Schlagkraft des Auskunftsanspruchs zu stärken ist damit ein klarer Handlungsauftrag an den Gesetzgeber.

Transparenz ist indes nur ein Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die jüngst veröffentlichte, ressortübergreifende „Gleichstellungsstrategie“ der Bundesregierung nennt als erstes Ziel die Verwirklichung der Entgeltgleichheit und der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung von Frauen im Lebensverlauf. Erreicht werden soll dies unter anderem durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die unbezahlte Sorgearbeit, aber auch durch die Stärkung der sozialen Berufe „als attraktive, flexible Karriereberufe“. Die Corona-Krise hat besonders deutlich gemacht, dass gerade diejenigen Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden und seit jeher unterbezahlt sind, „systemrelevant“ sind für die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft. Flankiert von dem abendlichen Applaus für die „Helden des Alltags“ hat der Gesetzgeber deshalb eine finanzielle Unterstützung beschlossen, indem den Fachkräften in Pflegeheimen eine staatlich finanzierte „Corona-Prämie“ gewährt wird – ausdrücklich begründet auch mit der geringen Entlohnung der Beschäftigten in diesem Bereich. Nicht nur die Entgeltgerechtigkeit in den betrieblichen Entgeltsystemen gilt es daher kontinuierlich weiter zu verbessern, auch die Vergütung in den sozialen Berufen muss im Vergleich mit anderen Berufsgruppen gerechter ausgestaltet werden. •

Dr. Nathalie Oberthür ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und für Sozialrecht bei RPO Rechtsanwälte in Köln sowie Mitherausgeberin der NJW.