Anmerkung von
Rechtsanwalt Florian Elsner, BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 04/2022 vom 01.04.2022
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Sachverhalt
Die Antragsgegnerin (AG) hat dem Antragsteller (AS) eine Bescheinigung übermittelt, nach der bei dem AS am 20.12.2021 eine PCR-Untersuchung auf den Erreger SARS-CoV-2 mit positivem Testergebnis durchgeführt, eine Infektion mit dem Erreger SARS-CoV-2 nachgewiesen worden und die Bescheinigung gemäß den geltenden Bestimmungen ab Tag 29 für längstens sechs Monate nach festgestellter Infektion, ohne Verlängerungsmöglichkeit, gültig ist. Der AS hat begehrt, die AG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm seine Genesung - über das bloße Testergebnis hinaus - dergestalt zu bescheinigen, dass sein Genesenenstatus ausdrücklich für den Zeitraum vom 17.01.2022 bis zum 18.06.2022 benannt werde.
Entscheidung
Der Antrag auf die begehrte Regelungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sei unbegründet, weil der AS weder Anordnungsanspruch noch -grund glaubhaft gemacht habe.
Es könne dahinstehen, ob in der Bescheinigung der AG eine der Bestandskraft fähige Regelung mit unmittelbarer Außenrechtswirkung i.S.v. § 35 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 SächsVwVfZG gesehen werden könne, wobei viel dafür spreche, dass mit der Bescheinigung lediglich ein behördliches Wissen kundgetan werden solle und solchen behördlichen Maßnahmen regelmäßig die Verwaltungsaktsqualität fehle. Der Bescheinigung könne schwerlich der Regelungsausspruch entnommen werden, nach dem der AS die an den Genesenenstatus geknüpften Vergünstigungen, etwa den Besuch von 2G-pflichtigen Angeboten, in Anspruch nehmen könnte.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei jedoch statthaft, weil der AS sein Begehren in der Hauptsache sowohl im Wege der Verpflichtungs-, als auch der Leistungsklage verfolgen könne. Nach der gebotenen summarischen Prüfung sei nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der AS einen Anspruch auf Ausstellung einer Genesenenbescheinigung im begehrten Umfang habe. Dieser Anspruch ergebe sich nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Sächsischen Corona-Notfall-VO i.V.m. § 2 Nr. 5 COVID-19-Schutzmaßnahmen-AusnahmenVO. Hiernach sei als Genesenennachweis - nur - das in verkörperter oder digitaler Form vorliegende, personalisierte, positive Testergebnis als solches anzusehen, soweit der Test den in der Verordnung genannten Anforderungen entspreche. Die Ausstellung einer sonstigen Bescheinigung, insbesondere einer behördlichen Bescheinigung, sähen weder die bundesrechtliche COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung noch die landesrechtliche Sächsische Corona-Notfall-Verordnung vor. Der Anspruch ergebe sich demnach auch nicht aus den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), insbesondere nicht aus § 22 Abs. 4a Satz 1 IfSG, nach dem zwar die Testdurchführung zu dokumentieren sei, jedoch nicht die Gesundheitsämter verpflichtet würden, im Fall eines labordiagnostisch geführten Nachweises einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus eine Bescheinigung darüber auszustellen, wann die Infektion festgestellt worden sei und welche Rechtsfolgen sich daraus ergäben. Eine Verpflichtung zur Ausstellung der begehrten Bescheinigung bestehe ebenfalls nicht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) 2021/953, weil dieser sich nicht zu der Frage verhalte, wer innerhalb eines Mitgliedstaats die genannten Genesungszertifikate auszustellen habe. Selbst eine unterstellte Pflicht der AG bezöge sich nicht auf eine Bescheinigung in dem von dem AS begehrten Umfang, sondern lediglich nach den fachlichen Vorgaben des Robert Koch-Instituts (www.rki.de/covid-19-genesenennachweis). Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ergebe sich kein Anspruch des AS auf die begehrte Bescheinigung mit der ausdrücklichen Benennung der Gültigkeitsdauer. Ferner sei, zuvorderst hinsichtlich der Möglichkeit des AS negative Schnelltestergebnisse beizubringen, kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Praxishinweis
Das Verwaltungsgericht Dresden setzt sich zur rechtlichen Einordnung des Genesenennachweises mit einer Vielzahl unterschiedlichster Rechtsmaterien auseinander und ist aus diesem Grunde v.a. in dogmatischer Hinsicht in seiner Gänze äußerst lesenswert.
VG Dresden, Beschluss vom 11.02.2022 - 6 L 97/22, BeckRS 2022, 1762