Gemischte Gefühle
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Über ein Drittel der künftigen Juristen – nämlich 34,3 % – würde am Ende des Studiums die eigene Hochschule nicht weiterempfehlen. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Umfrage des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF) unter bundesweit 1.608 Absolventen und Absolventinnen. Doch etwas mehr – 38,5 % – würden dies tun.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 20. Sep 2021.

„Enormer Reformbedarf“

Schon zum vierten Mal haben die Studierendenvertreter ein Meinungsbild eingeholt, unterstützt von zahlreichen Prüfungsämtern. Das Fazit lautet: „Es gibt ­einen enormen Reformbedarf.“ Daher wollen die Aktivisten mit der Untersuchung die Fakultäten ebenso wie die Justizminister auf Trab bringen. Mitmachen durfte, wer seit 2014 die Erste Juristische Prüfung – mit oder ohne Erfolg – abgeschlossen hat; ebenso Kandidaten, die zumindest schon Klausuren und Hausarbeit hinter sich gebracht haben. Deutlich über die Hälfte war weiblich, und gegenüber der vorherigen Erhebung von 2018 war das Durchschnittsalter etwas auf 24,6 Jahre gesunken. Trotz der hohen Teilnehmerzahl ist die Repräsentativität der Ergebnisse begrenzt; so wurden die Antworten aus Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland wegen ihrer geringen Zahl aussortiert.

Ortswechsel und Schwerpunktbereiche

Eine Erkenntnis: Mehr als 90 % der Hochschüler haben niemals den Studienort gewechselt. Auch ein Praktikum oder Semester im Ausland halten nur 10,5 % für ausgesprochen wichtig; sie vergaben dafür auf einer Notenskala von 1 bis 10 den höchstmöglichen Wert. Bemerkenswert, wie uneinheitlich die Nachwuchs­juristen mit der im Jahr 2003 eingeführten Prüfung im Schwerpunktbereich umgehen: 57 % absolvierten sie, bevor sie sich dem staatlichen Teil des Examens stellten; 23 % verhielten sich genau andersherum. In manchen Bundesländern ist die Reihenfolge Universität vor Staat ohnehin mehr oder weniger vorgeschrieben; die meisten Hochschulen legen es ansonsten den geschilderten Erfahrungen zufolge den Kandidaten zumindest sehr ans Herz. Für das jeweilige Rechtsgebiet entschieden haben sich demnach die meisten (43 %) aufgrund der Berufsperspektive, gefolgt von 35 %, die sich am Ruf einer guten Benotung orientiert haben. Passend dazu fordern 80 % eine bessere Vergleichbarkeit der Leistungen selbst innerhalb der eigenen Lehrstätte; 28 % schlossen sich der (mittlerweile aber wieder verstummten) Forderung an, sie zu weniger als den bisherigen 30 % in die Gesamtnote einfließen zu lassen.

Freischuss und Zweitkorrektor

Auch bei der Möglichkeit, frühzeitig einen ersten Anlauf zur Ersten Prüfung zu machen, zeigt sich ein vielfältiges Bild. In unterschiedlicher Weise setzen die Bundesländer darauf, dass sich durch eine Obergrenze dafür die Studiendauer verkürzt, und ködern Interessenten damit, dass ein Durchfallen nicht auf die maximal zwei Möglichkeiten zum Absolvieren des Examens angerechnet wird. Wer besteht, darf überdies trotzdem nochmal teilnehmen – in der Hoffnung auf bessere Zensuren. 70 % der Antwortenden haben die Chance zum risikolosen Erstantritt genutzt. Von denen, die dort erfolgreich waren, sind 30 % sodann nochmals an den Start gegangen. Für über die Hälfte hat sich das gelohnt – 39 % hatten hinterher zwar allenfalls einen ganzen Punkt mehr, 15 % aber sogar sechs oder noch mehr als zuvor. Die Studierendenlobby leitet daraus den Wunsch nach der in einigen Ländern schon vorhandenen Option ab, überall auch ohne frühen Antritt zum Freischuss einen zweiten Durchgang zur Aufbesserung der Abschlussnote nutzen zu können. Zugute käme das vor allem jenen, die aus finanziellen oder persönlichen Gründen nicht zu einem vorgezogenen „Probeexamen“ antreten könnten.

Bachelor und Examensvorbereitung

Auf große Zustimmung stößt die Einführung eines integrierten Abschlusses, den es bislang nur an wenigen Hochschulen gibt – zumeist einen Bachelor of Laws (LL. B.). Den bekommt, wer die meisten Uniprüfungen bestanden hat, auch wenn er hinterher endgültig durchs staatliche Examen rasselt. Das solle die Angst vorm Durchfallen vermindern und sogar psychische Erkrankungen verhindern, finden 80 %. Skeptiker geben zu bedenken, dass die meisten Arbeitgeber lieber Volljuristen einstellten. In der Examensvorbereitung zeigt sich ein Trend zu einer Kombination aus kommerziellem und universitärem Repetitorium: 69,4 % gehen ­regelmäßig zum gewerblichen Einpauker, 66,2 % zum akademieeigenen Klausurenkurs. Dem bezahlten Nach­hilfelehrer wird zwar „Panikmache“ vorgeworfen, aber eine bessere Didaktik attestiert. Groß ist die Freude über Angebote zum E-Learning wie Vorlesungsaufzeichnungen, Online-Klausurenpools, digitale Skripten und kurze Lernvideos. Nur 32,4 % halten allerdings ­Examensklausuren am PC für „absolut sinnvoll“.