Selbstverständlich entwickelt sich die Sprache weiter. Ebenso ist nicht zu übersehen, dass eine Genitivverwendung bis in seriöse Medien hinein vorkommt, weshalb selbst der Duden formuliert: „Präposition mit Dativ, selten mit Genitiv.“ Der Duden bildet aber bekanntlich nur ab und ist ohnehin nicht verbindlich; standardsprachlich bleibt, wie einschlägige Grammatiklehrbücher bestätigen, der Dativ richtig.
Zudem sollte das Gebot der Einheitlichkeit der Gesetzessprache bedacht werden. So lässt sich die bemerkenswerte Zahl von über 44.000 deutschen und europäischen Normen ermitteln, in denen gemäß zutreffend mit dem Dativ verwandt wird, darunter bezeichnenderweise 26 Vorschriften des EGBGB und seiner Anhänge, also des Gesetzes, welches das BGB einführt. Die Gegenbeispiele mit Genitiv bewegen sich im Ein-Prozent-Bereich (447), wobei man wiederum darüber streiten mag, ob das beruhigend oder schlimm genug oder beides zugleich ist. Gleichviel, die Rechtssprache sollte jedenfalls einheitlich bleiben, und wenigstens das BGB könnte man doch von derartigen Fehlgriffen verschonen.
Strebt man nach sprachlicher Modernisierung, bietet sich viel eher an, die im BGB in fünf nach wie vor anwendbaren Vorschriften (§§ 645, 755, 1011, 1288, 2188) benutzte Wendung „in Gemäßheit des …“ (hier stimmt der Genitiv) durch das zeitgemäße und zugleich schlichtere „gemäß“ zu ersetzen. „In Gemäßheit des“ erscheint als ein Relikt aus der Zeit des verschwurbelten Kanzleideutschs, von dem man getrost Abschied nehmen kann, da gemäß den obigen Ausführungen ein ohne Präzisionsverlust verwendbarer Ersatzbegriff verfügbar ist. Auch die jüngste Änderung des § 1288 BGB (in Kraft ab 1.1.2023) hält demgegenüber an der bisherigen Formulierung fest.
Bedenklich bleibt zudem, was all dies über den Gesetzgebungsprozess aussagt. Anscheinend ist der Fehler weder im Justizministerium noch parlamentarisch aufgefallen – oder noch schlimmer: es ist jemandem aufgefallen, es war aber der betreffenden Person gleichgültig oder sie wurde mit ihrem Hinweis ignoriert. Man muss nicht gleich eine Initiative zur Bekämpfung des Genitivabusus in der Rechtssprache ins Leben rufen. Mehr sprachliche Sorgfalt täte aber doch Not.
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