Urteilsanalyse
Geltendmachung von Hausgeldansprüchen im Urkundenprozess
Urteilsanalyse
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Hausgeldansprüche können nach einem Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.12.2019 im Urkundenprozess geltend gemacht werden.

16. Sep 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 17/2020 vom 10.09.2020

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Sachverhalt

Mit der Klage begehrte die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft rückständige Zahlungen auf Wirtschaftspläne im Urkundenprozess. Nach Klagezustellung zahlte der Beklagte, woraufhin der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde. Das Amtsgericht hat der Klägerin die Verfahrenskosten auferlegt, da die Klage im Urkundenprozess unstatthaft gewesen sei. Hiergegen richtet die sofortige Beschwerde der Klägerin.

Entscheidung

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

In Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) sei nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden gewesen. Grundlage der Entscheidung sei lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen könne, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe entspreche es billigem Ermessen, die Verfahrenskosten dem Beklagten aufzuerlegen.

Die Klage im Urkundenverfahren sei statthaft gewesen.

Gegenteiliges ergebe sich nicht daraus, dass der Beklagte auf die Klage nicht erwidert habe und daher die Forderung unstreitig gewesen sei (§ 138 Abs. 3 ZPO), so dass es eines Urkundenbeweises nicht bedurft habe; denn in der hier zum Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Säumnissituation gelten wegen der Sonderregelung des § 597 Abs. 2 ZPO, die nicht durch Urkunden bewiesenen Tatsachen entgegen § 331 Abs. 1 ZPO nicht als zugestanden, sondern nur die Echtheit der Urkunden und die Übereinstimmung einer Abschrift mit dem Original.

Gleichwohl hätte die Klage ohne das erledigende Ereignis im Urkundenverfahren Erfolg gehabt. Dies gelte auch für die Geltendmachung von Hausgeldansprüchen. Dem Protokoll der Eigentümerversammlung als Privaturkunde (§ 416 ZPO) komme nur ein Beweiswert dahingehend zu, dass die Unterzeichner den Inhalt der Niederschrift für wahrheitsgemäß befinden. Dies stehe allerdings dem Urkundenverfahren nicht entgegen. Denn der Urkundenbegriff in § 592 ZPO entspreche dem der §§ 415 ff ZPO, umfasse also alle schriftlichen Beweisstücke. Demzufolge sei für die Statthaftigkeit des Urkundenverfahrens nicht erforderlich, dass die Urkunde das den Anspruch begründende Rechtsverhältnis selbst verbrieft; die Urkunde brauche nicht Träger des geltend gemachten Rechtes zu sein. Ausreichend sei vielmehr, dass der Anspruch durch Urkunden im Sinne des Urkundenbeweises (§§ 415 ff ZPO) nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) bewiesen werden könne. Es genüge daher jede Urkunde, die geeignet sei, dem Gericht gegenüber den Beweis für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs unmittelbar oder mittelbar (z.B. durch den Beweis von Indiztatsachen) zu erbringen. Lediglich Urkunden, die einen im Urkundenverfahren unzulässigen Augenschein-, Zeugen- oder Sachverständigenbeweis durch Verschriftlichung ersetzen, seien unzulässig.

Demnach sei das Urkundenverfahren hier statthaft, denn dem Versammlungsprotokoll komme eine Indizwirkung dafür zu, dass die Beschlüsse wie protokolliert gefasst worden seien. Dies entspreche der Beweiskraft von Privaturkunden, die dahin gehe, dass die Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich haben. Demzufolge habe auch das Versammlungsprotokoll die Vermutung für sich, dass die Niederschrift den Inhalt der Beschlüsse vollständig und richtig wiedergebe. Dies führe nach den allgemeinen Regeln dazu, dass die Beweislast für einen abweichenden Geschehensablauf, der sich nicht aus der Urkunde ergebe, demjenigen zukomme, der sich hierauf beruft. Dies entspreche auch der Beweislast im gerichtlichen Verfahren auf Protokollberichtigung.

Hinzu komme, dass die Gemeinschaft auch die Möglichkeit habe, einen Auszug aus der Beschlusssammlung im Urkundenverfahren vorzulegen. Die Beschlusssammlung, die zumindest teilweise Funktionen des Grundbuchs habe, solle nach der gesetzgeberischen Intention einem Erwerber, den Wohnungseigentümern oder einem späteren Verwalter in übersichtlicher Form Kenntnis von der aktuellen Beschlusslage und den damit zusammenhängenden Entscheidungen verschaffen. Auch insoweit komme den dort enthaltenen Beschlüssen die Vermutung zu, dass diese so, wie in die Sammlung aufgenommen, gefasst worden seien, wobei die besondere Verantwortung des Verwalters hierfür in § 26 Abs. 1 Satz 3 WEG ausdrücklich sanktioniert sei.

Damit kommen dem Protokoll und ggf. dem Auszug aus der Beschlusssammlung eine hinreichende Indizwirkung zu, dass im Regelfall nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) aus den Urkunden die Überzeugung des Gerichts erbracht werden könne. Dies genüge für die Statthaftigkeit des Urkundenverfahrens.

Da die Klägerin sowohl Protokolle über die Beschlussfassungen der Wirtschaftspläne als auch über die Ermächtigung des Verwalters zur Prozessführung vorgelegt habe, wäre die Klage begründet gewesen, so dass es billigem Ermessen entspreche, dem Beklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Praxishinweis

Ob Hausgeldansprüche im Urkundenverfahren geltend gemacht werden können, ist in der Literatur umstritten. Einer Ansicht nach sei dies nicht möglich, da das Protokoll die Beschlussfassung nicht beweise und damit die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht i.S.v. § 592 ZPO bewiesen werden könnten (Greiner ZWE 2015, 149, 154). Demgegenüber wird andererseits das Urkundenverfahren für zulässig gehalten (Müller in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Auflage 2017, § 85 Rn. 59; Schmid DWW 2007, 324)

Das LG Frankfurt entscheidet sich richtigerweise für letztere Ansicht.

Wie beim Mietprozess – etwa bei der Geltendmachung von Ansprüchen auf rückständige Miete oder Nutzungsentschädigung (BGH, Urteil vom 12.06.2013 – XII ZR 50/12, NZM 2013, 614) oder Mietminderung (BGH, Urteil vom 20.12.2006 - VIII ZR 112/06, NJW 2007, 1061) – ist auch für Hausgeldklagen gemäß § 592 ZPO ein Urkundenprozess möglich. Dieser Weg kann sich anbieten, um eine schnelle Durchsetzung und Titulierung zu erreichen. Die Klage muss nach § 593 Abs. 1 ZPO die Erklärung enthalten, dass im Urkundenprozess geklagt werde. Zum Nachweis der Hausgeldschuld sind als Urkunden die Wirtschaftspläne und Abrechnungen sowie die Niederschrift über die entsprechenden Genehmigungsbeschlüsse oder ein Auszug aus der Beschlusssammlung vorzulegen (Elzer in Beck’sches Prozessformularbuch, 14. Auflage 2019, Form. II. J. 1. Anm. 3). Soweit aber die Verwaltereigenschaft bestritten wird, muss diese in der Form des § 26 Abs. 3 WEG, also durch eine Versammlungsniederschrift über den Bestellungsbeschluss mit beglaubigten Unterschriften der Unterzeichner, nachgewiesen werden.

LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.12.2019 - 2-13 T 106/19 (AG Hanau), BeckRS 2019, 31880