Urteilsanalyse
Geltendmachung von Ansprüchen aus eigenem und abgetretenem Recht
Urteilsanalyse
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Wird das Klagebegehren auf ein undifferenziertes Gemenge von Ansprüchen sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht ohne Angabe einer Prüfungsreihenfolge gestützt, liegt eine alternative Klagehäufung vor, die nach Ansicht des BGH wegen des Verstoßes gegen das Gebot, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, unzulässig ist.

16. Mrz 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 05/2023 vom 10.03.2023

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Sachverhalt

Der Kläger macht wegen eines Verkehrsunfalls in einem Parkhaus nach hälftiger Regulierung durch die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners noch den restlichen Schadensersatz bestehend aus weiteren Reparaturkosten, Minderwert, Sachverständigenkosten, Unkostenpauschale, Mietwagenkosten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend. Das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug des Klägers war als Kreditsicherheit an die den Kaufpreis finanzierende Bank übereignet; außerdem hatte der Kläger sämtliche Ansprüche aus einem eventuellen Verkehrsunfallereignis im Voraus an die Bank abgetreten. Die Bank wiederum hatte den Kläger ermächtigt, Schadensersatzansprüche aus einem solchen Ereignis im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Mit seiner Klage hat der Kläger im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die finanzierende Bank die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des verbleibenden Schadensbetrags an sich verlangt. Die Beklagte hat Klageabweisung und im Wege der Hilfswiderklage die Feststellung beantragt, dass der Kläger verpflichtet sei, die Beklagte im Falle ihrer Verurteilung zur Zahlung weiterer Reparaturkosten, weiterer Wertminderung sowie weiterer Sachverständigenkosten in Höhe des sich daraus ergebenden Urteilsbetrags gegenüber der finanzierenden Bank freizustellen. Das AG hat unter Annahme eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers diesem lediglich weitere Rechtsverfolgungskosten zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das LG zurückgewiesen.

Entscheidung

Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des AG auf die Berufung des Klägers dahingehend teilweise abgeändert, dass die Beklagte auch noch verurteilt wurde, den restlichen Minderwert zu zahlen, der Kläger aber auf die in den Vorinstanzen nicht zu bescheidende und damit in der Revisionsinstanz wieder angefallene Hilfswiderklage verurteilt wurde, die Beklagte von der Verpflichtung zur Zahlung eben dieses Minderwertes an die finanzierende Bank freizustellen.

Der Kläger hat in der Revisionsinstanz klargestellt, welche für die Bank erhobenen Ansprüche aus eigenem und welche aus abgetretenem Recht (der Bank) geltend gemacht werden, und damit die Klage zulässig gemacht

Die Klage sei nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig. Allerdings habe der Kläger in gewillkürter Prozessstandschaft für die finanzierende Bank ungeachtet des einheitlichen Klageziels zwei Streitgegenstände geltend gemacht, nämlich einerseits die von ihm im Voraus an die Bank abgetretenen Ansprüche aus einem Verkehrsunfall (= Anspruch aus fremdem Recht) und andererseits die originären Ansprüche der Bank aus ihrem Sicherungseigentum (= Anspruch aus eigenem Recht). In den Vorinstanzen habe der Kläger sein Klagebegehren auf ein undifferenziertes Gemenge beider prozessualer Ansprüche ohne Angabe einer Prüfungsreihenfolge gestützt. Damit habe eine alternative Klagehäufung vorgelegen, die wegen des Verstoßes gegen das Gebot, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, unzulässig sei. Die Klarstellung könne allerdings noch im Laufe des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, nachgeholt werden. Auf den Hinweis des Senats habe der Kläger erklärt, dass die „fahrzeugbezogenen Schäden“ (Reparaturkosten, Minderwert, Sachverständigenkosten) das Sicherungseigentum der Bank beträfen und diesbezügliche Ansprüche dieser als Sicherungseigentümerin zustünden, während es sich bei den Mietwagenkosten und allgemeinen Kosten um „personenbezogene Schäden“ handle und es insoweit um Ansprüche gehe, die in der Person des Klägers entstanden und an die Bank abgetreten worden seien. Daraus ergebe sich mit hinreichender Bestimmtheit, dass der Kläger als Prozessstandschafter für die Bank aus deren originärem Recht restliche Reparatur- und Sachverständigenkosten und restlichen Minderwert geltend mache und aus deren vom Kläger abgetretenem Recht restliche Mietwagenkosten und die restliche Unkostenpauschale.

Die iÜ zulässigerweise im Wege der Prozesstand erhobene Klage ist nur teilweise begründet

Der Kläger sei auch, wie weiter ausgeführt wird, befugt, die Ansprüche der Bank – sowohl die vom Kläger an sie abgetretenen als auch ihre originären aus dem Sicherungseigentum – in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen. Begründet sei, wie ebenfalls weiter ausgeführt wird, die Revision des Klägers nur, soweit er aus dem Recht der Bank als Sicherungseigentümerin aus § 823 Abs. 1 BGB den Ersatz des restlichen Minderwerts nebst Prozesszinsen verlangen könne, weil der Bank (nur) insoweit ein ungekürzter, d. h. nicht um das Mitverschulden des Klägers gekürzter, deliktischer Anspruch zustehe. Da sich die Klage teilweise als begründet erweise, habe der Senat über die für diesen Fall erhobene Hilfswiderklage der Beklagten zu entscheiden. Diese sei – wie schließlich im Einzelnen ausgeführt wird – zulässig und begründet.

Praxishinweis

Das – in den Vorinstanzen offensichtlich übersehene – prozessuale Problem des Falls war, dass mit der Klage (in Prozessstandschaft) sowohl eigene Ansprüche der finanzierenden Bank als Sicherungseigentümerin als auch an diese (aufgrund der Sicherungszession vom Kläger an die Bank) abgetretene Ansprüche ihres Kreditnehmers geltend gemacht wurden. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei einem Anspruch aus eigenem und einem Anspruch aus fremdem Recht auch bei einheitlichem Klageziel um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. BGH NJW 2019, 1669 Rn. 9). Es bedurfte daher einer Bestimmung durch den Kläger, welche Schadensposition zu welchem Streitgegenstand gehört, damit die jeweiligen Streitgegenstände iSd § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sind (was aber – wie im entschiedenen Fall geschehen – auch noch in der Revisionsinstanz „repariert“ werden kann). Anderenfalls müsste sich das Gericht heraussuchen, welche Schadensposition es welchem Lebenssachverhalt (eigener oder abgetretener Anspruch) zuordnet. Eine (aus Rechtskraftgründen unzulässige) alternative Klagehäufung läge dann vor, wenn eine einzelne Schadensposition sowohl aus eigenem Recht als auch aus abgetretenem Recht abgeleitet werden können. Es bedarf daher bei einer derartigen Gemengelage stets der genauen Zuordnung einzelner Anspruchspositionen zu den zugehörigen Lebenssachverhalten. Soweit danach eine Anspruchsposition auf zwei oder mehrere Lebenssachverhalte gestützt werden soll, muss der Kläger außerdem dem Gericht durch Formulierung eines entsprechenden Haupt- und Hilfsverhältnisses die Prüfungsreihenfolge vorgeben.

Die Entscheidung ist iÜ wegen der sehr ausführlichen Darlegungen zur (materiellrechtlichen) Abwicklung solcher Schadensfälle für den Praktiker außerordentlich lesenswert.

BGH, Urteil vom 17.01.2023 - VI ZR 203/22 (LG Bayreuth), BeckRS 2023, 2055