Agenten in der Leitung. Darf der BND mithören, wenn Ausländer im Ausland telefonieren – etwa wenn Splittergruppen einen Terroranschlag verabreden oder ein Staat Nuklearwaffen entwickelt? Gesetzlich ist dem Geheimdienst diese „strategische Ausland-Ausland- Aufklärung“ seit drei Jahren ausdrücklich erlaubt. Das BVerfG will am 19.5. verkünden, inwieweit das verfassungskonform ist. Deutsche Telefonnummern werden zwar nach offiziellen Angaben ausgefiltert. Doch diverse Organisationen und Einzelpersonen – koordiniert von der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF), die als Vereinszweck „strategische Prozessführung“ nennt – sehen durch dieses Mithören und Mitlesen der Telekommunikation von Nichtdeutschen insbesondere die Pressefreiheit (Art. 5 GG) und das Fernmeldegeheim nis (Art. 10 GG) verletzt (NJW-aktuell H. 3/2020, 6). Journalistenverbände fürchten, ihre Recherchequellen könnten versiegen und Informanten von Despoten drangsaliert werden; auch ein in Guatemala aktiver Anwalt aus Deutschland ist unter den Beschwerdeführern. BND-Präsident Bruno Kahl gab bei der Verhandlung im Januar vor dem Ersten Senat zu bedenken, in Weltregionen, in denen man keine eigenen Zuträger habe, sei dies häufig die einzige Erkenntnisquelle. Nach dem zweitägigen Hearing wagte die „Zeit“ die Prognose: Die Richter „machten schon durch ihre Insistenz deutlich, dass es bei der gegenwärtigen Rechtslage kaum bleiben dürfte“.
Arbeitslos in Rente. Wer mindestens 45 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse gezahlt hat, gilt als „besonders langjährig Versicherter“ und darf vorzeitig (für die Jahrgänge bis einschließlich 1952 mit 63 Jahren) in den Ruhestand treten, ohne Abzüge in Kauf nehmen zu müssen. Ein Montierer und Stanzer brachte es jedoch nur auf 532 statt der erforderlichen 540 Monate auf seinem Beitragskonto, weil sein Arbeitgeber die Produktion nach Ungarn verlagert und seine Betriebsstätte stillgelegt hatte. Für ein halbes Jahr wurde er anschließend von einer Transfergesellschaft übernommen und erhielt Transferkurzarbeitergeld, bevor er arbeitslos wurde und noch zwei Jahre lang Arbeitslosengeld bezog. Der Rentenversicherer wie auch zuletzt das LSG Sachsen verweigerten ihm die Berücksichtigung dieser beiden Jahre: § 51 IIIa 1 Nr. 3 SGB VI erlaube das nur, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei, um „Fehlanreize“ für eine Frühverrentung zu vermeiden. Doch hier sei keines dieser beiden Ereignisse unmittelbar vorausgegangen, sondern ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer Transfergesellschaft abgelaufen. Das BSG will am 20.5. klären, ob die Ausnahmeregel wenigstens analog zugunsten des Rentners angewendet werden kann.
Im Ghetto. Über Rentenanträge von jüdischen Ghettobewohnern im Zweiten Weltkrieg wird an diesem Tag ebenfalls in Kassel verhandelt. Grundlage ist das „Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto“ (ZRBG). Es regelt in fünf knappen Paragraphen ergänzende Ansprüche von Menschen, die sich dort zwangsweise aufhielten, aber „aus eigenem Willensentschluss“ eine wie auch immer entlohnte Tätigkeit aufnahmen. In den beiden Verfahren hatte der Versicherungsträger Zahlungen abgelehnt, weil es sich um kein Ghetto gehandelt habe, sondern um kleine Orte ohne räumliche Absonderung der jüdischen Familien. Im Gegensatz zum SG Lübeck sah das LSG Schleswig-Holstein das Tatbestandsmerkmal dennoch als erfüllt an – etwa weil die Betroffenen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen gezwungen gewesen seien, die Armbinde mit dem Davidstern zu tragen.
Kurze Woche. In unseren Berichterstattungszeitraum fällt diesmal Christi Himmelfahrt. Die übrigen Bundesgerichte haben für diese Woche keine Termine angekündigt. Und der EuGH will wegen der Corona- Pandemie auch erst wieder ab 25.5. mündlich verhandeln.