Urteilsanalyse
Gegenseitige Zuwendungsversprechen auf den Todesfall sind nicht vormerkungsfähig
Urteilsanalyse
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Das OLG Düsseldorf beschäftigt sich in seinem Beschluss vom 15.05.2020 mit der Vormerkungsfähigkeit gegenseitiger Zuwendungsversprechen auf den Todesfall. Notar JR Dr. Wolfgang Litzenburger stellt die Entscheidung vor und erläutert die Praxisfolgen für die Bruchteilsgemeinschaft.

12. Aug 2020

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 7/2020 vom 27.07.2020

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Sachverhalt

Die Beteiligten sind Miteigentümer zu je ½-Anteil eines Grundstücks. Mit notarieller Urkunde vereinbarten sie unter der Überschrift „Gegenseitiges entgeltliches Zuwendungsversprechen auf den Todesfall“ die Verpflichtung, jeweils ihren hälftigen Miteigentumsanteil auf den jeweils anderen zu übertragen. Die Pflicht stehe unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Übertragende versterbe und der Erwerber den Übertragenden überlebe. Die Pflicht sei auflösend bedingt durch den Erwerb des anderen Miteigentumsanteils und durch die Erklärung des Rücktritts durch den anderen Beteiligten. Die Übertragung erfolge im Wege des entgeltlichen Rechtsgeschäfts und außerhalb der Formen des Erbrechts. Zur Sicherung des jeweiligen Übertragungsanspruchs bewilligten beide Beteiligten Eigentumsvormerkungen zu Lasten ihres jeweiligen Eigentumsanteils und beantragten deren Eintragung im Grundbuch.

Mit Zwischenverfügung wies das Grundbuchamt darauf hin, dass die vereinbarten Ansprüche nicht vormerkungsfähig seien, da nach den getroffenen Vereinbarungen der Rücktritt ohne Angaben von Gründen möglich sei. Ein Anspruch sei aber nur dann vormerkungsfähig, wenn eine Bindungswirkung gegeben sei, die nicht mehr von einer im freien Belieben des Verpflichteten stehenden Willenserklärung abhänge.

Mit weiterer notarieller Urkunde trafen die Beteiligten ergänzende Vereinbarungen zu dem ihnen jeweils vorbehaltenen Rücktrittsrecht. Unter anderem müsse der Rücktrittserklärung ein Schreiben beiliegen, in dem einer der Beteiligten dem anderen das Zerstrittensein angezeigt habe; seit dem in dem Schriftstück genannten Datum bis zur Rücktrittserklärung müssten mindestens 10 Jahre verstrichen sein. Mit Zugang des Rücktritts träten zugleich die auflösenden Bedingungen über das Übertragungsversprechen beider Beteiligten ein.

Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer Beschwerde.

Entscheidung: Das Grundbuchamt hat die Vormerkungsfähigkeit der zwischen den Beteiligten vereinbarten Übertragungsansprüche im Ergebnis zu Recht verneint

Das Grundbuchamt hat vor Eintragung einer Vormerkung zu prüfen, ob ein vormerkungsfähiger Anspruch vorliegt. Bedingte Ansprüche - gleiches gilt für künftige Ansprüche - genießen nur dann Vormerkungsschutz, wenn für die künftige Gestaltung des Anspruchs nicht lediglich eine bloße mehr oder weniger aussichtsreiche tatsächliche Möglichkeit besteht, sondern bereits eine feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende Grundlage (Rechtsboden) vorhanden ist. In der Regel bietet auch ein bedingt abgeschlossenes Rechtsgeschäft den erforderlichen sicheren Rechtsboden für das künftige Wirksamwerden des darin begründeten Anspruchs. Dieser Grundsatz gilt indes nicht uneingeschränkt und es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der bedingt vereinbarte Anspruch vormerkbar ist.

Wird - wie hier - eine Überlebensbedingung vereinbart, kann es sich um eine aufschiebende Bedingung für den vorzumerkenden Anspruch handeln. Soll der Anspruch nicht schon gegenüber dem derzeitigen Inhaber des Grundeigentums oder des Rechts an einem Grundstück bestehen, sondern nur gegenüber den Erben des derzeitigen Inhabers des betroffenen Rechts, wird eine Vormerkung überwiegend für unzulässig gehalten. Es handelt sich dann um einen erbrechtlichen Anspruch. Sog. Erbfallschulden, die erst im Augenblick des Erbfalls entstehen, können nach ganz überwiegend vertretener Auffassung aus mehreren Gründen zu Lebzeiten des Erblassers nicht durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden. Zum einen steht dem das sog. Identitätsgebot entgegen. Schuldner des Anspruchs muss danach derjenige sein, der bei der Eintragung der Vormerkung der Eigentümer des von ihr betroffenen Grundstücks ist. Zum anderen wird die Eintragung einer Vormerkung für einen erbrechtlichen Anspruch mit dem Argument verneint, dass der Erblasser nicht gehindert sei, zu Lebzeiten noch über sein Vermögen zu verfügen.

Um eine Erbfallschuld handelt es sich auch beim Schenkungsversprechen auf den Todesfall gemäß § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es besteht dann zu Lebzeiten des Schenkers kein Anspruch des Beschenkten auf Übereignung, eine gesicherte Rechtsposition oder ein Anwartschaftsrecht erlangt der Beschenkte aus dem Versprechen nicht. Ein Anspruch entsteht erst mit dem Erbfall und nur dann, wenn der Beschenkte diesen Zeitpunkt erlebt. Handelt es sich bei dem zugewandten Gegenstand um einen Einzelgegenstand, wird die Zuwendung als Vermächtnis behandelt und ist gemäß § 2147 BGB vom Erben zu erfüllen. Der Anspruch aus einem solchen Schenkungsversprechen unter Überlebensbedingung ist zu Lebzeiten des Schenkers nach überwiegend vertretener Auffassung nicht vormerkbar.

Praxishinweis

Dieser Fall legt die Nachteile einer Bruchteilsgemeinschaft schonungslos offen, wenn die Bruchteilseigentümer eine über die gemeinsame Verwaltung hinausgehende Bindung wünschen. Die rechtliche Selbstständigkeit der Bruchteilsanteile zwingt dann zu solchen Vereinbarungen wie in dem hier entschiedenen Fall. Außer dem gegenseitigen Vorkaufs- bzw. Ankaufsrecht gehört zu den typischen Vereinbarungen auch der gegenseitige Verzicht auf das Teilungsversteigerungsrecht gemäß § 180 ZVG.

Der Versuch jedoch, auch ein darüber weit hinausgehendes, erbrechtliches „Anwachsungsrecht“ zu vereinbaren, ist vom Senat mit zutreffender Begründung zurückgewiesen worden. Dabei handelt es sich um ein von § 2301 BGB erfasstes Geschäft zur Umgehung der erbrechtlichen Gestaltungsformen.

Eine Schenkung unter Lebenden, deren Wirkung erst mit dem Tod des Schenkers eintreten soll, unterscheidet sich nämlich von einer letztwilligen Zuwendung (Erbeinsetzung oder Vermächtnis) zwar nicht in ihrer wirtschaftlichen Wirkung, wohl aber in den Voraussetzungen. Es besteht die Gefahr, dass die strengen Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen (§§ 2231 ff. BGB, § 2247 BGB,  § 2276 BGB) oder die Vorschriften über die erbrechtliche Bindung an wechselbezügliche oder vertragsmäßige Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament bzw. Erbvertrag durch ein Ausweichen auf eine solche lebzeitige Schenkung auf den Todesfall umgangen werden könnten. Da andererseits ein gerechtfertigtes Interesse an einer derartigen Schenkung auf den Todesfall nicht von vorneherein geleugnet werden kann (BGH NJW 1953, 182), bereitet die Grenzziehung zwischen unzulässiger Umgehung der erbrechtlichen Vorschriften und legitimer Wahl der Form des lebzeitigen Rechtsgeschäfts Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber hat sich zur Lösung dieses Problems darauf beschränkt, Schenkungen unter Lebenden unter den in § 2301 genannten Voraussetzungen den Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) zu unterstellen, dieses also nicht mit Unwirksamkeitsfolge zu verbieten.

Allerdings kann das von den Bruchteilseigentümern gewünschte Ergebnis nicht nur – wie der Senat andeutet - durch einen zweiseitigen Vermächtnisvertrag erreicht werden, sondern auch durch die Einbringung des Grundbesitzes in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Gesellschaftsvertrag kann nämlich unzweifelhaft vereinbart werden, dass das Gesellschaftsvermögen beim Tod eines Gesellschafters dem verbleibenden Gesellschafter anwächst, und zwar auch unter Vereinbarung eines an die Erben zu zahlenden Entgelts. Bei dieser Gestaltung wären im entschiedenen Fall die Bruchteilseigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen worden, ohne dass es der Sicherung durch eine Vormerkung bedurft hätte. Wechselseitige An- oder Vorkaufsrechte lassen sich ebenfalls problemlos vereinbaren. Der Ausschluss der Teilungsversteigerung ist angesichts der Möglichkeiten, das Kündigungsrecht zu regeln, bei dieser Gestaltung entbehrlich. Pflichtteilsergänzungsansprüche lassen sich mit dieser gesellschaftsrechtlichen Konstruktion nach einer kürzlich ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung (BGH BeckRS 2020, 12564 mit Anmerkung Litzenburger FD-ErbR 2020, 430206) allerdings nicht vermeiden.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.05.2020 - I-3 Wx 64/20, BeckRS 2020, 13438