Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft
Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 15/2023 vom 03.08.2023
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Sachverhalt
Der Vater und Rechtsvorgänger der drei Beklagten, M., war an der klagenden GmbH sowie an der weiteren Beklagten, einer GmbH & Co. KG, von 1996 bis 2005 als Mehrheitsgesellschafter beteiligt. Nachdem er die Anteile an der Klägerin an den jetzigen Geschäftsführer und zwei weitere Personen veräußert hatte, stellte der neue Geschäftsführer fest, dass M. die Auszahlung von Guthaben auf Verrechnungskonten der Klägerin an sich selbst und die Beklagte Ziff. 2 zwischen 1997 und 2005 veranlasst hatte. Die Klägerin verlangt nunmehr Rückzahlung dieser Guthaben gem. § 31 Abs. 1 GmbHG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung, da es sich bei den Guthaben auf den Verrechnungskonten um eigenkapitalersetzende Darlehen gehandelt habe. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage bis auf einen Teil der Zinsen und Kosten teilweise stattgegeben und im Übrigen abgewiesen, da dem Erstattungsanspruch ein sofort fälliger Darlehensrückzahlungsanspruch des Gesellschafters gegenüberstehe, den die Beklagten der Klagforderung wegen des dolo-agit-Einwandes aus § 242 entgegenhalten könnten. Der BGH hat durch den vorliegenden Beschluss darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Revision der Klägerin gem. § 552a ZPO mangels Erfolgsaussichten zurückzuweisen.
Entscheidung
Der Senat sieht keinen Grund zur Durchführung des Revisionsverfahrens, da dieses weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch wegen grundsätzlicher Bedeutung erforderlich sei. Die Revision habe auch keine Aussicht auf Erfolg.
Zwar sei die Frage, ob ein Gesellschafter seiner Inanspruchnahme wegen eines vor dem 1.11.2008 entstandenen Erstattungsanspruches nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln entsprechend §§ 30, 31 GmbHG a.F. den dolo-agit-Einwand aus § 242 BGB entgegenhalten könne, umstritten. Teilweise werden vertreten, gegen einen nach altem Recht entstandenen Anspruch auf Rückgewähr eines eigenkapitalersetzenden Darlehens könne entsprechend § 19 Abs. 2 GmbHG weder die Aufrechnung erklärt werden, noch sei der Einwand eröffnet, dass das zu Leistende im Hinblick auf den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens unmittelbar wieder zurückzugewähren sei. Dem gegenüber werde mit unterschiedlicher Begründung angenommen, dass der Gesellschafter den dolo-agit-Einwand erheben könne. Zwar habe auch der Senat angenommen, dass einem auf § 31 Abs. 1 GmbHG a.F. gestützten Erstattungsanspruch eine Gegenforderung im Wege der Aufrechnung oder der Erhebung des dolo-agit-Einwands nicht entgegengehalten werden könne, da es dem Gebot der realen Kapital(wieder)aufbringung widerspreche. Diese Grundsätze gälten für einen vor dem 1.11.2008 entstandenen Erstattungsanspruch nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln entsprechend §§ 30, 31 GmbHG a.F. nach dem Inkrafttreten des MoMiG jedoch nicht mehr, weil der Gläubigerschutz ab dem 1.11.2008 nicht mehr durch das Gebot der realen Kapital(wieder)aufbringung realisiert werde, sondern durch § 39 Abs. 1 Nr. 5, §§ 44a, 135 InsO.
Die Rückzahlung eines zuvor eigenkapitalersetzenden Darlehens sowie jedes anderen Gesellschafterdarlehens könne nach dem Wegfall der Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz ab 1.11.2008 durch einen Gesellschafter und erst recht durch gesellschaftsfremde Dritte gemäß der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG durchgesetzt werden. Es bestehe kein Bedürfnis, den fortbestehenden Erstattungsanspruch der Gesellschaft neben den nach neuem Recht vorgesehenen Schutzmechanismen zusätzlich den Grundsätzen des GmbHG über die Kapitalerhaltung zu unterstellen. Die Gesellschafter hätten daher im Falle der Erstattung des Darlehens einen sofortigen einredefreien Darlehensrückzahlungsanspruch, sodass ihnen der Einwand des dolo agit zustehe.
Praxishinweis
Gesellschafter sind über den Zustand ihrer Gesellschaft regelmäßig besser informiert als außenstehende Gläubiger. Gesellschafter neigen daher dazu, bei Erkennen einer Krise von ihnen gewährte Gesellschafterdarlehen möglichst noch vor Eintritt einer späteren Insolvenz der Gesellschaft zurückzahlen zu lassen. Aus Gründen des Gläubigerschutzes hatte der Bundesgerichtshof insoweit ursprünglich die das Stammkapital schützende Vorschrift des § 30 GmbHG analog auf solche „eigenkapitalersetzenden“ Gesellschafterdarlehen angewendet. Eine Auszahlung an den Gesellschafter in der Krise war daher unzulässig. Erfolgte sie dennoch, bestand ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft gem. § 31 GmbHG. Nachdem der Gesetzgeber in der Neufassung des § 30 Abs. 1 GmbHG durch Anfügung des Satzes 3, wonach die Vorschrift nicht auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anwendbar ist, diesen Schutzmechanismus zugunsten verschärfter Anfechtungsvorschriften aufgegeben hat, kann heute jeder Gesellschafter sein Darlehen bei Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen wie jeder dritte Gläubiger abziehen. Der Schutz der Gläubiger erfolgt im Insolvenzfalle durch die Möglichkeit, eine solche Darlehensrückzahlung innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantragstellung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzufechten. Dementsprechend hätten auch die Beklagten des vorliegenden Falles dann, wenn das Darlehen sich noch bei der Gesellschaft befunden hätte, dieses ohne weiteres abziehen können. Gleiches gälte für den Fall, dass die Gesellschaft die Darlehensvaluta nach den zum Zeitpunkt der Rückzahlungen noch geltenden Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG zurückerhalten sollte. Insoweit nimmt der BGH hier zu Recht den Einwand des „dolo agit“ an, da die Gesellschaft den Betrag alsbald wieder an die Beklagten hätte zurückzahlen müssen. Dieses Vermeiden eines Hin- und Herzahlens ist umso wertvoller für die Beklagten, als sie andernfalls das Insolvenzrisiko der Gesellschaft getragen hätten. Dass ihnen dann ein sofort fälliger Darlehensrückzahlungsanspruch zugestanden hätte, hätte wenig genützt, wenn die Gesellschaft es insoweit auf einen langjährigen Rechtstreit hätte ankommen lassen und nach Abschluss eine Vollstreckung an den wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH gescheitert wäre. Ohnehin dürften die zum Zeitpunkt des Kaufs bereits zurückgezahlten Darlehen bei Bemessung des Kaufpreises keine Rolle gespielt haben, sodass der Verdacht naheliegt, dass die neuen Gesellschafter versucht haben, zu Lasten der alten Gesellschafter auf deren wirtschaftliches Risiko zumindest eine erzwungene Zwischenfinanzierung zu erlangen.
BGH, Beschluss vom 18.04.2023 - II ZR 37/22 (OLG Zweibrücken), BeckRS 2023, 16935