Kolumne

Gebt dem KInd einen Namen
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NJW/Harald Schnauder

In der Justiz sind vielerorts KI-Tools im Einsatz. Sie heißen Frauke, Emil oder Tabea. Es sind nicht irgendwelche Namen. Sondern Abkürzungen für die mitunter lustigen Bezeichnungen der jeweiligen Systeme.

7. Aug 2025

Die Digitalisierung der Justiz schreitet unaufhaltsam voran – von kleinen Ausnahmen wie der rechtzeitigen flächendeckenden Einführung der E-Akte mal abgesehen. Aber das ist eine Petitesse; denn vielerorts ist sogar schon Künstliche Intelligenz im Einsatz. Vor allem in Massenverfahren wissen die Richterinnen und Richter KI-basierte Assistenzsysteme sehr zu schätzen. Ständig werden neue Tools ausgetüftelt. Dabei gilt offenbar der Grundsatz, dass solche Software nur dann etwas taugt, wenn sie einen wohlklingenden Namen hat. Weil der Mensch sich selbst noch immer mehr vertraut als der Maschine, sind Vornamen am besten. Wenn einem eine Frauke oder ein Emil zuarbeitet, fühlt sich das einfach besser an, als wenn man sich auf irgendein GPT verlassen soll.

Mitunter sind bei der Namensfindung ganz schöne Verrenkungen nötig, um zu einem Ergebnis zu kommen. Denn es werden den Tools nicht einfach irgendwelche Namen gegeben; diese sollen zugleich auch zum Ausdruck bringen, was die Programme machen. „Frauke“, die Mutter aller KI-Assistenten, ist dafür das beste Beispiel. Der Name ist nämlich die Abkürzung für „Frankfurter Urteils-Konfigurator Elektronisch“ (die KI wurde zunächst für das Amtsgericht in der Mainmetropole entwickelt, um damit die zahlreichen dort anhängigen Fluggastrechteverfahren in den Griff zu kriegen). Auf „Frauke“ folgte bald „Olga“ („Oberlandesgerichts-Assistent“), die am OLG Stuttgart für die vielen Diesel-Verfahren gebraucht wird. Im Sinne der Gleichberechtigung musste dann auch ein männlicher Vorname her. Das ist „Emil“, ein „Erkenntnismittel-Assistent“, der vor allem in Asylverfahren eingesetzt werden soll. Weil dort die Belastung besonders groß ist, sollen auch „Tabea“ („Tatbestandsassistent für Asylverfahren“), „Hekla“ („Herkunftslandinformationsassistent“) und „Ada“ („Asylakten-Durchdringungs-Assistent“) die Verwaltungsgerichte in diesen Verfahren unterstützen.

Wenn man bei der Namenssuche an Grenzen stößt, kann man diese überwinden, indem man auf exotischere Vornamen zurückgreift, etwa auf „Maki“, das nicht nur für gerolltes Sushi steht, sondern auch ein in Japan verbreiteter weiblicher Vorname ist. In unserem Kontext steht es für „Massenverfahrens-Assistenz mithilfe von KI“. Ebenfalls in diese Kategorie fallen „Akira“ („Allgemeine KI-Richterassistenz“, auch ein beliebter japanischer Name) und „Jano“ („Justiz-Anonymisierung“, als Vorname in slawischen Ländern wie Tschechien und Kroatien verbreitet). Offenbar gibt es zwischen den Bundesländern, die solche Programme entwickeln (lassen), inzwischen einen härteren Wettbewerb um den besten Namen als um die leistungsfähigste KI.

Ich habe ChatGPT gefragt, welcher Vorname für ein künstlich intelligentes Richter-Assistenz-System gut geeignet ist. Der Vorschlag: „Justus“. Das liegt so nahe, dass es eigentlich zu banal ist. Vor allem: Wofür soll das stehen? „Juristen-Software-Tool-Urteils-System“? Ich plädiere dafür, dass die nächste Anwendung „Tool Besonders Intelligentes Assistenz-System“ heißt.

Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M..