Urteilsanalyse
Fristverlängerungsantrag nach Fristablauf
Urteilsanalyse
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Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes gemäß § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO genügt es nach einem Beschluss des BGH , wenn am Ende des Schriftsatzes der Name des Verfassers maschinenschriftlich wiedergegeben ist.

6. Feb 2024

Anmerkung von
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 02/2024 vom 26.01.2024

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Sachverhalt

Die Begründung der vom erstinstanzlich unterlegenen Kläger rechtzeitig eingelegten Berufung ist erst am Tag nach Ablauf der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen; zuvor war an diesem Tag kurz nach zwei Uhr früh ein Antrag des Klägers eingegangen, die Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Tag zu verlängern. Er hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu ausgeführt, am Abend des Fristablaufs habe sein Prozessbevollmächtigter die Berufungsbegründungsschriftsätze für das vorliegende sowie zwei Parallelverfahren fertiggestellt. Anschließend habe er mit dem ansonsten zuverlässig arbeitenden Kanzleidrucker zunächst die beiden Schriftsätze in den Parallelverfahren ausgefertigt und diese mit Anlagen um 22.22 Uhr beziehungsweise 22.30 Uhr erfolgreich per beA an das Berufungsgericht übermittelt. Beim anschließenden Versuch der drucktechnischen Ausfertigung des Berufungsbegründungsschriftsatzes in der vorliegenden Sache gegen 22.30 Uhr habe der Kanzleidrucker einen seinem Prozessbevollmächtigten bis dahin unbekannten Fehler gemeldet und den Druckbefehl nicht ausgeführt. Der Prozessbevollmächtigte habe sich um Fehlerbehebung bemüht, was jedoch absehbar bis um 24.00 Uhr nicht zu bewerkstelligen gewesen sei. Er habe deshalb seinen „Back-up-Drucker“ aktiviert, der zuverlässig arbeite, aber im Vergleich mit dem Haupt-Drucker nur über eine erheblich geringere Druckgeschwindigkeit verfüge. Da zu besorgen gewesen sei, dass die drucktechnische Ausfertigung des umfangreichen Schriftsatzes samt Anlagen mit diesem Drucker vor 24.00 Uhr nicht mehr gelingen würde, habe sein Prozessbevollmächtigter einen kurzen Schriftsatz mit der Bitte um eine Fristverlängerung um einen Tag unter Verweis auf die technischen Schwierigkeiten gefertigt, welche die Ausfertigung und Übermittlung verzögert hätten. Dieser Schriftsatz habe allerdings erst um 2.04 Uhr des Folgetages per beA abgesetzt und zugestellt werden können; Übermittlungsversuche am Tag des Fristablaufs – um 23.46 Uhr, 23.53 Uhr und 23.56 Uhr – seien aufgrund einer technischen Störung im beA-System gescheitert. Sein Prozessbevollmächtigter habe sich sodann weiter um die Fehlerbehebung am Canon-Drucker bemüht. Nach eingehender Befassung mit dem Drucker-Handbuch und Neuinstallation des Druckertreibers sei ihm dies schließlich gelungen, so dass er am Tag nach Fristablauf die Berufungsbegründung habe ausfertigen und per beA habe übermitteln und mit einem weiteren am selben Tag per beA an das Berufungsgericht übermittelten Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe beantragen können.

Das Berufungsgericht hat nach Ablehnung des Fristverlängerungsantrags die vom Kläger zudem beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht bewilligt und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG als unzulässig verworfen.

Entscheidung

Die hiergegen erhobene (ohne weiteres statthafte, §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 238 Abs. 2 S. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde des Klägers hat der BGH als unzulässig verworfen, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien. Die die Entscheidung tragenden Ausführungen des Berufungsgerichts hielten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und würden keine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründenden Rechtsfragen aufwerfen. Vielmehr habe das Berufungsgericht das Rechtsmittel des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.

Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist scheitert an fehlender Plausibilität des Vorbringens

Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch das Berufungsgericht sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es fehle bereits an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung, weswegen es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der vorliegenden Sache ab 22.30 Uhr aus technischen Gründen nicht (mehr) möglich gewesen sein soll, den nach seiner Darlegung zu diesem Zeitpunkt schon fertiggestellten Berufungsbegründungsschriftsatz erfolgreich per beA an das Berufungsgericht zu versenden, und er noch nicht einmal den Versuch einer Versendung dieses Schriftsatzes unternommen hat. Der Umstand, dass sein Drucker ab 22.30 Uhr seinen Dienst versagt habe, vermöge dies nicht zu erklären, weil die (erfolgreiche) Übersendung eines Schriftsatzes an ein Gericht per beA eine vorherige „drucktechnische Ausfertigung“ dieses Schriftsatzes nicht voraussetze. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und somit dem Kläger selbst (§ ZPO § 85 Abs. ZPO § 85 Absatz 2 ZPO) gereiche es daher zum Verschulden, dass am Tag des Fristablaufs ab 22.30 Uhr kein einziger Versuch unternommen worden sei, die – zu diesem Zeitpunkt angabegemäß bereits fertiggestellte – Berufungsbegründung per beA an das Berufungsgericht zu übermitteln; für das Vorliegen einer technischen Störung des beA zwischen 22.30 Uhr und 23.45 Uhr und damit dafür, dass eine Übermittlung des Schriftsatzes per beA in diesem Zeitraum nicht gelungen wäre, gebe es keinen Anhaltspunkt. Ob ab 23.46 Uhr eine technische Störung des beA vorgelegen habe, könne dahinstehen, denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die letzte Viertelstunde der um 24.00 Uhr ablaufenden Berufungsbegründungsfrist – obschon er dazu berechtigt gewesen wäre – nicht für die Übermittlung der Berufungsbegründung vorgesehen, sondern lediglich versucht, einen Fristverlängerungsantrag per beA an das Berufungsgericht zu schicken.

Fristverlängerungsantrag war verspätet und auf seinen Erfolg konnte auch nicht vertraut werden

Den nach Fristablauf formgerecht beim Berufungsgericht eingereichten Fristverlängerungsantrag habe das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist setze einen vor Fristablauf gestellten Antrag voraus; die Verlängerung einer bereits verfallenen Frist sei schon begrifflich nicht mehr möglich. IÜ dürfe der Berufungskläger grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass ihm ohne Einwilligung des Gegners eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bewilligt werde, weshalb ein erfolgversprechender Antrag auf weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr rechtzeitig gestellt werden könne, wenn die Einwilligung nicht vorliege und nach 23.00 Uhr am letzten Tag der Frist realistischerweise auch nicht mehr zu erlangen sei. Die Ablehnung der Fristverlängerung sei unanfechtbar (§ 225 Abs. 3 ZPO). Ob sich der Wiedereinsetzungsantrag (auch) auf das Fristverlängerungsgesuch bezogen habe, könne dahinstehen, weil gegen die Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei.

Praxishinweis

1. Der gerichtliche Leitsatz der Entscheidung ist in gewissem Sinne eine „Mogelpackung“, weil es nicht um Fragen einer ordnungsgemäßen Signierung ging. Der BGH hat die Signierung lediglich im Zusammenhang mit (oben nicht wiedergegebenen) Ausführungen zur fehlenden Nachvollziehbarkeit des zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gehaltenen Vorbringens angesprochen. Er hat ausgeführt, dass für die formgerechte Übermittlung des Schriftsatzes im PDF-Datenformat ein vorheriger Ausdruck und anschließendes Einscannen nicht erforderlich seien, weil sich eine PDF-Datei unmittelbar elektronisch herstellen ließe und das Dokument auch nicht eigenhändig unterschrieben sein müsse, vielmehr eine einfache Signatur durch maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers am Ende des Textes ausreiche. Dabei dürfte es sich allerdings (inzwischen) um Selbstverständlichkeiten handeln.

2. Praktisch bedeutsamer dürfte der Hinweis des BGH auf seine Rechtsprechung sein, dass gegen die Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (oder eine andere fristgebundene Prozesshandlung) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist (BGH VersR 1987, 308). Vielmehr besteht nur die Möglichkeit, die versäumte Prozesshandlung selbst nachzuholen – der Fristverlängerungsantrag ersetzt dies nicht – und für diese die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (Anderes liefe auch im Ergebnis auf eine – nicht mögliche – Verlängerung der Frist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO hinaus).

BGH, Beschluss vom 30.11.2023 – III ZB 4/23 BeckRS 2023, 38726