Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 20/2021 vom 07.10.2021
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Die Parteien schlossen am 21.04.2004 einen Wohnraummietvertrag. Am 12.02.2020 durchsuchte die Polizei die Wohnung. In dem Durchsuchungsprotokoll vom 12.02.2020, das von der Beklagten zu 1) als Zeugin unterzeichnet wurde, sind in 22 Positionen u.a. Drogen wie Ecstasy, Haschisch, Marihuana, Heroin, Kokain in unterschiedlichen Mengen verzeichnet.
Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 21.2.2020 „wegen Rauschgifthandel in der Mietwohnung“ fristlos und hilfsweise fristgemäß. Die Beklagte zu 1) behauptet, von den Drogen in der Wohnung und von einem etwaigen Handel damit nichts gewusst zu haben. Zudem sei der Beklagte zu 2) drogenabhängig; die gefundenen Drogen haben sich daher allenfalls zum Zwecke des Eigenverbrauchs in der Wohnung befunden. Da die Beklagten nicht auszogen, erhob die Klägerin Räumungsklage.
Entscheidung
Die Klage hat Erfolg.
Die Beklagten seien zur Räumung und Herausgabe der Mieträume verpflichtet. Die fristlose Kündigung vom 21.02.2020 sei nach § 543 Abs. 1 BGB wirksam.
Die Wohnung sei von dem Beklagten zu 2) zum Zweck des Drogenhandels genutzt worden. Hiervon sei aufgrund der Menge der am 12.02.2020 vorgefundenen Drogen sowie den völlig unglaubwürdigen Erklärungen der Beklagten auszugehen. Die Kenntnis der Beklagten zu 1) hiervon sei unerheblich.
Dass die Drogen von der Polizei am 12.02.2020 vorgefunden worden sind, sei ohne weitere Beweisaufnahme zu unterstellen.
Die Beklagte zu 1) selbst habe das Durchsuchungsprotokoll unterzeichnet. Sie könne somit nicht das Vorhandensein der sichergestellten Drogen bestreiten. Dies stehe im Übrigen auch in Widerspruch zu der spontanen Einlassung des Beklagten zu 2) im Termin am 23.02.2020, er habe die Drogen in der Wohnung verteilt bzw. versteckt.
Das Vorhandensein der Drogen könne mit einer Drogenabhängigkeit des Beklagten zu 2) nicht erklärt werden. Die Menge der Drogen spreche eindeutig dagegen. Der Besitz derartiger Mengen sei zum Eigenverbrauch völlig unüblich. Das Gericht könne den umfangreichen Drogenbesitz nicht anders bewerten, als dies das Strafgericht im Urteil gegen den Beklagten zu 2) getan habe.
Voraussetzung für die fristlose Kündigung sei ferner das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Vielzahl verschiedener Drogen lasse nur den Schluss zu, dass der Beklagte zu 2) mit Drogen gehandelt habe. Wer nur für den Eigenkonsum Drogen verwahre, verfüge nicht über derart ansehnliche Vorräte. Der Beklagte zu 2) habe die Wohnung als Lagerort für die Vorräte genutzt. Es komme nicht darauf an, ob er in der Wohnung Drogenkäufer oder -lieferanten empfangen habe.
Eine Abmahnung sei angesichts des strafwürdigen Verhaltens des Beklagten zu 2) gemäß § 543 Abs. 3 Ziff. 2 BGB entbehrlich gewesen.
Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) Kenntnis davon hatte, dass die Drogen vorhanden gewesen seien. Allein das Verhalten des Beklagten zu 2) überschreite die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs. Er sei Mitmieter der Wohnung gewesen, so dass nicht einmal der Beklagten zu 1) sein Verhalten zugerechnet werden müsse. Für eine Kündigung wegen einer Vertragsverletzung sei das Fehlverhalten eines Mitmieters ausreichend,
Praxishinweis
Dem Urteil ist zuzustimmen.
Der Mieter hat mit der Aufbewahrung von Betäubungsmitteln in den von ihm angemieteten Wohnräumen die Grenzen vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten und seine mietvertragliche Obhutspflicht verletzt. Ein Mieter ist – ebenso wie ein Vermieter – verpflichtet (§ 241 Abs. 2 BGB), Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners zu nehmen. Der Mieter hat die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten – Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen kann (BGH, Urteil vom 07.06-.989 - VIII ZR 91/88, NJW 1989, 2247). Gegen diese besondere Schutzpflicht, die sich aus dem auf den Mieter übertragenen Besitz an der Mietsache ergibt (BGH, aaO), kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist.
Ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem BtMG begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, muss ohne Weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Mit einem derartigen Verhalten überschreitet der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache (BGH, Urteil vom 14.03.2013 – III ZR 253/12, NZM 2013, 421; BGH, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, NZM 2017, 144).
AG Hamburg, Urteil vom 23.03.2021 - 43b C 168/20, BeckRS 2021, 22956