Anmerkung von
Rechtsanwalt Thomas C. Knierim, Knierim & Kollegen Rechtsanwälte, Mainz
Aus beck-fachdienst Strafrecht 22/2020 vom 12.10.2020
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Sachverhalt
Der Beschuldigte soll in der Nacht vom 18.09. auf den 19.09.2020 in Ludwigshafen am Rhein die vier anzeigenden Polizeibeamten mit seinem – später von den Polizeibeamten sichergestellten - Smartphone Marke Samsung (Farbe schwarz) während eines Einsatzes gefilmt haben. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) sieht darin den objektiven Tatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB als erfüllt an und beantragte die Beschlagnahme des Smartphones. Außerdem beantragte sie, die Beschlagnahme eines Pfeffer-KO FOG Sprays der Firma F.W.K. GmbH richterlich zu bestätigen sowie deren Einziehung als Tatmittel anzuordnen.
Entscheidung
Das Amtsgericht hat die gestellten Anträge aus Rechtsgründen zurückgewiesen.
Zunächst wird bei der rechtlichen Ausgangslage berücksichtigt, dass das Bundesverfassungsgericht (NVwZ 2016, 53, 54 m.w.N.) bereits entschieden hat, dass das bloße Anfertigen von Lichtbildern und Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen durch Demonstranten ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht die konkrete Gefahr einer späteren Veröffentlichung entgegen § 33 iVm § 22, 23 KUG begründe, weil diese Aufnahmen auch dem Zweck der Beweissicherung für etwaige Rechtsstreitigkeiten dienen könnten.
Soweit von der Staatsanwaltschaft das Vorliegen des objektiven Tatbestandes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB angenommen werde, sei zunächst vom geschützten Rechtsgut des § 201 StGB auszugehen, das eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG darstelle und zwar in Form des Rechts auf eine Vertrauenssphäre des Menschen, in der die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation gesichert werden soll. Jedermann dürfe danach grundsätzlich selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen solle, sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden dürfe. Schon aus dieser Betrachtung des Schutzgutes des § 201 StGB werde deutlich, welche Fälle der Straftatbestand vor Augen habe und dass es einen Unterschied machen müsse, ob jemand ein privates Telefongespräch bzw. ein persönliches Gespräch zwischen zwei Personen in einem umschlossenen Raum aufnehme oder ob jemand per Handykamera dienstliche Anweisungen von Polizeibeamten im Rahmen eines Polizeieinsatzes etwa bei Demonstrationen oder ähnlichem filme.
Unter das Tatbestandsmerkmal des „gesprochenen Wortes“ falle jede unmittelbare, akustisch wahrnehmbare Äußerung von Gedankeninhalten mittels Lautzeichen. Auf den (sinnvollen) Inhalt der Gedankenäußerung komme es hierbei nicht an, auch Vertraulichkeit, ein Geheimnischarakter oder die private Äußerung sei nicht gefordert. Der Straftatbestand des § 201 StGB erfasse danach zwar auch dienstliche Äußerungen von Amtsträgern. Ein Amtsträger müsse es sich grundsätzlich nicht gefallen lassen, dass in dienstlicher Eigenschaft gemachte Äußerungen mitgeschnitten würden. Eine dienstliche Ansprache eines Polizeibeamten erfülle den Begriff „des gesprochenen Wortes“ iSd § 201 StGB. Zweifelhaft sei indes, ob überhaupt eine „nichtöffentliche“ Äußerung des betreffenden Polizeibeamten vorliege, die den Schutz des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verdiene.
Eine nichtöffentliche Äußerung liege nach herrschender Auffassung dann vor, wenn diese nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar sei. Die Heimlichkeit der Aufnahme sei nicht gefordert, so dass auch eine mit Wissen des Betroffenen aber gegen seinen Willen gefertigte Aufnahme ausreiche. Insbesondere komme es hiernach nicht allein auf den Willen des Betroffenen an, sondern auch auf die objektiven Umstände der Äußerung. Bestünden daher bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten Dritter, könne insbesondere eine „faktische Öffentlichkeit“ bestehen, die regelmäßig auf öffentlichen Plätzen zu bejahen sei.
Nach allem sei eine dienstliche Äußerung eines Polizeibeamten gegenüber einer Person im Rahmen eines Einsatzes unter freiem Himmel regelmäßig keine „nichtöffentliche“ Äußerung. Dabei könne insbesondere bereits nicht sichergestellt werden, dass eine Äußerung des Polizeibeamten durch Dritte - umstehende Teilnehmer oder Passanten - wahrgenommen werde. Dieser Umstand sollte dem Polizeibeamten ohne weiteres erkennbar sein, so dass ein etwaiges Vertrauen auf die Unbefangenheit der dienstlichen Kommunikation nach dem Schutzzweck des § 201 StGB nicht geschützt zu werden brauche. Darüber hinaus sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, dass für den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB die allgemeinen Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB eingriffen (hM).
Soweit die Staatsanwaltschaft den Verdacht des Verstoßes gegen § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.5. hinsichtlich des mitgeführten Pfeffer-KO FOG Sprays der Firma F.W.K. GmbH bejahe, sei nach dem Feststellungsbescheid des BKA So11-5164.01-Z-50 (Bundesanzeiger AT Nr. 175 vom 18.11.2008) dieses als Tierabwehrspray nicht unter das Waffengesetz zu subsumieren.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist zu begrüßen. Bemerkenswert ist, dass das Amtsgericht damit die obergerichtliche Rechtsprechung konsequent umsetzt und die in der Literatur, zum Teil auch von Richtern veröffentlichten Meinungen ausgewertet hat (vgl. Richter am Landgericht Dr. David Ullenboom "Das Filmen von Polizeieinsätzen als Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?" NJW 2019, 3108; Prof. Dr. Fredrik Roggan „Zur Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen - Überlegung zur Auslegung des Tatbestandes von § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB“, LSK 2020, 17805403; LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 - 2 Qs 111/19 - jeweils m.w.N.).
AG Frankenthal (Pfalz), Beschluss vom 16.10.2020 - 4b GS 1760/20, BeckRS 2020, 28894