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Verfassungsfeinde in Roben
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© Stefan Lochmann/adobe

Bei einem unverstellten Blick auf die politische Landschaft verwundert es kaum, dass sogar die Justiz nicht mehr vor sogenannten Querdenkern und Extremisten gefeit ist. Hohe Wellen schlagen derzeit die Fälle zweier Richter aus Thüringen und Sachsen, von denen einer nicht nur sein Amt, sondern auch seine Pensionsansprüche verloren hat.

20. Jan 2025

Die Unabhängigkeit von Richtern ist ein Rechtsgut mit Verfassungsrang (Art. 97 und 33 V GG). Gegen ihren Willen können sie daher nur kraft richterlicher Entscheidung aus den im Gesetz bestimmten Gründen ihres Amtes enthoben oder in den Ruhestand versetzt werden. Wird etwa gegen einen Richter durch Urteil eines deutschen Gerichts auf Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat erkannt, endet das Richterverhältnis nach § 24 Nr. 1 DRiG mit Rechtskraft des Urteils. So verhielt es sich im Fall des Familienrichters Christian D. Er hatte aktiv Eltern angeworben, um in einem Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen in Weimar zu untersagen. Das OLG Jena kassierte den Beschluss zwar wegen fehlender Zuständigkeit. Die Sache hatte allerdings ein Nachspiel: Weil Christian D. das Verfahren gezielt manipuliert habe, verurteilte ihn das LG Erfurt wegen Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung (Urt. v. 23.8.​2023 – 2 KLs 542 Js 11498/21, BeckRS 2023, 22432). Die Revision wies der BGH zurück (Urt. v. 20.11.​2024 – 2 StR 54/24). Die Folgen für Christian D. sind gravierend. Nicht nur sein Richterdienst endet mit Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils (§ 24 Nr. 1 DRiG). Auch seine Pensionsansprüche verliert er.

Erhebliche Zweifel an seiner Unparteilichkeit (und Verfassungstreue) bestehen auch beim sächsischen Richter Jens Maier. Dennoch ist sein Fall anders gelagert. Er war in der Justiz des Landes Sachsen tätig, bevor er von 2017 bis 2021 Bundestagsabgeordneter für die AfD wurde. Nach Beendigung seiner Mitgliedschaft im Bundestag beantragte er die Zurückführung in das Richterverhältnis (§ 8 I iVm § 6 I AbgG). Das sächsische Justizministerium wies ihn zunächst dem AG Dippoldiswalde zu. Maier war bereits vor seiner Wahl zum AfD-Abgeordneten durch rechtsextreme Entgleisungen aufgefallen. Er fungierte zudem als Obmann des ehemaligen „Flügels“ der AfD, der vom Verfassungsschutz als erwiesen extremistisch eingestuft worden war. Auf Antrag des Freistaats Sachsen erklärte das DienstG Leipzig deshalb seine Versetzung in den Ruhestand gemäß § 31 Nr. 3 DRiG für zulässig (NVwZ-RR 2023, 543). Seine Revision wurde vom BGH (Dienstgericht des Bundes) zurückgewiesen (NVwZ 2023, 1932).

§ 31 Nr. 3 DRiG erlaubt, einen Richter in den Ruhestand zu versetzen, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden. Davon muss ausgegangen werden, „wenn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person des Richters oder in seine Amtsführung in so hohem Maße Schaden genommen hat, dass seine Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheint und durch sein Verbleiben in dem ihm anvertrauten Amt zugleich das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige und unvoreingenommene Rechtspflege beseitigt oder gemindert würde“ (BGH NJW 1995, 2495). Eine Versetzung nach § 31 DRiG ist gerechtfertigt, wenn der Richter nicht mehr die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, oder wenn er in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, er werde sein künftiges dienstliches Verhalten nicht mehr vorurteilsfrei und unparteiisch ausüben.

Jens Maier wird zwar künftig kein Recht mehr sprechen. Anders als Christian D. erhält er aber weiterhin Versorgungsbezüge. Ein Wertungswiderspruch eröffnet sich damit nicht. Verfahren, die auf eine Maßnahme nach § 31 DRiG zielen, sind gefahrenabwehrrechtlicher Natur. Als objektive Funktionsschutzverfahren sind sie darauf gerichtet, eine funktionstüchtige Rechtspflege zu schützen. Anders als Disziplinarverfahren dienen sie nicht dem Zweck, Dienstvergehen zu sanktionieren. Durchaus zulässig ist es jedoch, Maßnahmen nach § 31 DRiG auf Tatschen zu stützen, die zugleich eine Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Denn § 31 DRiG sperrt keine disziplinarische Ahndung. Nicht ohne Grund versucht der Freistaat Sachsen, Maier im Wege der Disziplinarklage vollständig aus dem Richterdienstverhältnis zu entfernen. Damit gingen auch dessen Pensionsansprüche unter. Ein erster Versuch scheiterte freilich: Das DienstG wies die Klage als unbegründet zurück (Urt. v. 28.11.​2024 – 22 DG 2/23). Indes ist noch ein zweites Disziplinarverfahren anhängig. Dessen Ergebnis bleibt abzuwarten. 

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Prof. Dr. Thomas Sauerland lehrt Öffentliches Recht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Brühl.