Das Sommerloch 2025 brachte mit dem „Kiss-Cam-Skandal“ (endlich) einen arbeitsrechtlich relevanten Fall hervor. Bei einem Konzert der Band Coldplay blendete die Kamera („Kiss Cam“) ein sich umarmendes Paar ein, dass sich infolge der Ausstrahlung auf dem Stadionbildschirm blitzartig versuchte zu verstecken. Offensichtlich fühlte man sich ertappt. Schnell wurde klar, dass es sich bei den beiden Verliebten um den (wohl „anderweitig“ verheirateten) Vorstandsvorsitzenden eines Software-Unternehmens und dessen Personalchefin handelte. Die Folge: Beide wurden vom Unternehmen freigestellt, der Vorstandsvorsitzende trat im Anschluss zurück. Abgesehen von der zwischenmenschlichen Seite des Falls stellt sich mit Blick auf das hier relevante deutsche Recht die Frage, welche Auswirkungen Beziehungen unter Beschäftigten auf deren Arbeitsverhältnisse haben können.
Gesetzliche Regelungen sind rar
Vereinzelt finden sich spezialgesetzliche Vorschriften mit arbeits- oder dienstrechtlichem Einschlag zur Handhabung von Interessenkonflikten oder Näheverhältnissen. Das gilt etwa für den Ausschluss von Mitgliedern für bestimmte Ausschüsse des Aufsichtsrats nach § 107 III 5 AktG oder den Ausschluss von Organmitgliedern oder Beschäftigten bei bestimmten Vergabeverfahren nach § 6 SektVO. Ein generelles Verbot findet sich allerdings nicht. Erforderlich ist im Wesentlichen ein Rückgriff auf die für das Miteinander im Betrieb relevanten (Neben-)Pflichten aus § 241 II BGB, namentlich die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und der übrigen Beschäftigten sowie der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zugunsten der Mitarbeitenden.
Sind vertragliche Regelungen zulässig?
Dass Arbeitgeber und Beschäftigte Interesse an einem angenehmen Betriebsklima haben, ist selbstverständlich. Nähe- oder gar Liebesbeziehungen können Konfliktpotenzial bergen. Dementsprechend finden sich – gerade in internationalen Konzernen – nicht selten unternehmens- oder konzerninterne Vorgaben etwa in Form eines „Code of Conducts“, die mitunter auch Regelungen zu Näheverhältnissen vorsehen. Einheitliche Leilinien zur Gestaltung lassen sich der Rechtsprechung nicht entnehmen. Bedeutsame Entscheidungen sind die Beschlüsse des LAG Düsseldorf vom 14.11.2005 (NZA-RR 2006, 81) sowie des BAG vom 22.7.2008 (NZA 2008, 1248). In beiden Fällen stritten die Betriebsparteien um Mitbestimmungsfragen im Zusammenhang mit internen Richtlinien. Das LAG Düsseldorf hielt das seiner Entscheidung zugrunde liegende Verbot von Liebesbeziehungen für insgesamt unzulässig. Zu tief sei der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten und berühre deren Menschenwürde. Dem Betriebsrat versagte das LAG ein Mitbestimmungsrecht, da eine unwirksame Regelung nicht der Mitbestimmung unterliege. Das BAG ging demgegenüber in seiner Entscheidung davon aus, dass ein allumfassendes Verbot von Liebesbeziehungen im Betrieb zwar regelmäßig unzulässig sei, das gelte aber nicht generell für sämtliche Regelungen über im Betrieb stattfindende private Verhaltensweisen, insbesondere im Verhältnis von Vorgesetzten und Untergebenen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats könne daher sehr wohl bestehen.
Jobkiller Liebesbeziehung?
Kann der Arbeitgeber also das Arbeitsverhältnis kündigen, wenn Beschäftigte eine Liebesbeziehung führen? Ganz grundsätzlich kämen als potenzielle Gründe für eine Kündigung solche personenbedingter (Eignungsmangel für eine bestimmte Position; dazu LAG Hamm BeckRS 2014, 74304) oder verhaltensbedingter Natur (zum Beispiel Vertragspflichtverletzungen in Form von Beleidigungen, Drohungen oder Belästigungen; dazu ArbG Berlin BeckRS 2015, 67987) in Betracht. Können präventive vertragliche Regelungen zu Näheverhältnissen nach dem Vorstehenden „problembehaftet“ sein, wird es im Wesentlichen auf den konkreten Einzelfall ankommen. Das Näheverhältnis an sich berechtigt nicht zur Kündigung. Es kommt entscheidend darauf an, ob und wie sich dieses (nachweisbar) negativ auf die vertragliche(n) Beziehung(en) oder die betrieblichen Verhältnisse ausgewirkt hat und wessen Interessen im Rahmen der für Kündigungen obligatorischen Abwägung überwiegen (s. ArbG Berlin BeckRS 2015, 67987; LAG Hamm BeckRS 2014, 74304; BAG NJW 1979, 2063).