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Gemeinfrei oder nicht?
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Frida Kahlo Museum, Mexiko © IBRESTER/adobe

Immer zum Jahreswechsel läuft der Schutz der Werke derjenigen Urheberinnen und Urheber aus, die siebzig Jahre zuvor verstorben sind. Daher lohnt sich zu Neujahr ein Blick in den kunsthistorischen Kalender – heute also auf die im Jahr 1954 verstorbenen Kunstschaffenden.

6. Jan 2025

Zuweilen treten dabei auch „Anomalien“ zutage, im letzten Jahr der auf kuriose Weise vom Gesetzgeber unbeabsichtigt verlängerte Schutz des ersten „Micky Maus“-Films von 1928 durch das deutsche Urheberrecht aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags aus dem Jahr 1892 (Mezger NJW-aktuell H. 11/2024, 15).

In diesem Jahr sind die bekanntesten Namen der mit ihren Werken neu in die urheberrechtliche Gemeinfreiheit eintretenden Künstler die der Maler Frida Kahlo und Henri Matisse – und tatsächlich zeigen sich bei ihnen zwei weitere Sonderfälle bei der Berechnung der urheberrechtlichen Schutzdauer in Fällen mit internationalem Bezug.

Mexiko hat die längste Schutzfrist

Frida Kahlo (1907 – 1954), die heute insbesondere durch ihre ausdrucksstarken Selbstportraits bekannt ist, spielte in den Augen der zeitgenössischen Kritik neben dem malerischen Schaffen ihres Ehemanns Diego Rivera nur eine Nebenrolle – heute dürfte es umgekehrt sein.

Wer beispielsweise einen Bildband mit den Werken Frieda Kahlos veröffentlichen möchte, muss prüfen, ob er dafür von den Rechtsnachfolgern der Malerin eine Lizenz einholen muss. Innerhalb der Europäischen Union ist das seit Anfang dieses Jahres einfach möglich, da dann die 70-jährige Frist nach Art. 7 Schutzdauer-Richtlinie (in Deutschland umgesetzt in § 64 UrhG) abgelaufen ist. Hierzulande wird auch die deutlich längere, nämlich 100-jährige Frist des mexikanischen Rechts ignoriert, weil das im Urheberrecht geltende Schutzlandprinzip danach fragt, für welches Territorium der jeweilige Anspruch geltend gemacht wird (Art. 8 I Rom II - VO). Für Fragen der Vervielfältigung und Verbreitung innerhalb der EU würde ein Gericht also nur die hiesige Rechtslage interessieren.

Nach Mexiko dürfte ein solches Produkt allerdings nicht ohne Weiteres ausgeführt werden, weil dann für eine Verbreitungshandlung innerhalb des Landes die dortige Schutzfrist zu berücksichtigen und Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösen würde. Noch komplexer wird es bei Nutzungen von Kahlos Werken im Internet: Zumindest denkbar wäre es, dass die Rechtsnachfolger der Malerin eine öffentliche Zugänglichmachung auch aus der EU heraus für mexikanische Nutzer untersagen lassen könnten, vgl. § 3 IV Nr. 6 Digitale-Dienste-Gesetz (DDG).

Frankreich verlängerte den Schutz um Kriegszeiten

Eine andere Norm könnte im Fall der Werke des ebenfalls 1954 verstorbenen französischen Malers Henri Matisse für international divergierende Schutzfristen sorgen: Um die erschwerte Verwertung von künstlerischen Werken während der beiden Weltkriege zu kompensieren, sprach das französische Recht Urhebern und ihren Rechtsnachfolgern eine um die Dauer der Kriegszeiten verlängerte Schutzdauer zu – aber nur in Bezug auf vor Kriegsende veröffentlichte Werke (Art. 128 – 8 ff. UrhG-F). Das 1910 fertiggestellte Ölgemälde „Der Tanz“ wäre somit in Frankreich noch mehrere Jahre geschützt, während der ikonische Scherenschnitt „Blauer Akt IV“ aus dem Jahr 1952 nicht nur außerhalb Frankreichs seit diesem Jahr gemeinfrei wäre.

Nach der Rechtsprechung des französischen Kassationshofs (Urt. v. 27.2.​2007 – 4 – 12.138, RIDA 212 [2007], 287) sind diese Vorschriften jedoch nur noch auf Musikwerke anwendbar und damit insbesondere nicht mehr auf solche der bildenden Kunst, weil die Regelungen seit 1993 von der bislang letzten Verlängerung des Urheberrechts nach der Schutzdauer-Richtlinie aus dem Jahr 2006 verdrängt werden. Die Folge ist, dass die Fristen hier seitdem EU-weit einheitlich greifen und im Falle Matisses jetzt abgelaufen sind. Gute Nachrichten also für alle Kunstverlage. 

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Dr. Lukas Mezger ist Partner bei Unverzagt Rechtsanwälte, Hamburg.