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Hürden der Grundrechtsverwirkung
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Könnte die Gallionsfigur des rechtsextremen AfD-Flügels Björn Höcke durch eine Entscheidung des BVerfG nach Art. 18 GG von einer Kandidatur bei den Landtagswahlen ausgeschlossen werden? Das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.

21. Feb 2024

Nachdem die AfD in den letzten Monaten in den Umfragen immer höherer Werte erreicht hat und zudem über konspirative Treffen mit Vertretern anderer rechtsextremistisch Bewegungen berichtet wurde, wird in der juristischen und politischen Debatte nach Möglichkeiten der Eindämmung einer damit für die Demokratie verbundenen Gefahr diskutiert. In diesem Zusammenhang ist neben dem Parteiverbot nach Art. 20 II GG auch die Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG diskutiert worden. Diese ist in Bezug auf die verfahrens- und materiell-rechtlichen Voraussetzungen durchaus mit dem Parteiverbotsverfahren vergleichbar. Entscheidungen des BVerfG in diesem Verfahren müssen gemäß § 15 IV BVerfGG mit einer Zweidrittelmehrheit ergehen, es müssen also sechs der acht Richter zustimmen. Im Unterschied zu den Parteiverbotsverfahren wurde in den bislang vier Verfahren nach Art. 18 GG in keinem Fall eine Verwirkung angeordnet. Voraussetzung für den Ausspruch einer Verwirkung durch das BVerfG ist, dass die von Art. 18 erfassten Grundrechte, vor allem die Meinungsfreiheit, für einen Kampf gegen die freiheitlichen demokratische Grundordnung eingesetzt werden. Diesen Begriff hat das BVerfG zuletzt 2017 ausführlich im NPD-Verbotsverfahren mit Blick auf Art. 21 II GG definiert: Erfasst sind danach nur zentrale, für den freiheitlichen Verfassungsstaat unentbehrliche Grundprinzipien: Die Menschenwürde (Art. 1 I GG), das Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG), die rechtsstaatlich begründete Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 III GG) einschließlich der Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte sowie das Gewaltmonopol des Staates (BVerfGE 144, 20 (205 ff. Rn. 535 ff.) = NVwZ 2015, 1524). In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Kampf“ verlangt es ein aggressiv-kämpferisches Tätigwerden, das auf eine Beseitigung der Ordnung oder einzelner ihrer Bestandteile gerichtet ist. Dem bisherigen Verhalten kommt nur indizielle Bedeutung zu. Entscheidend ist die zukünftige Gefährlichkeit des Betroffenen (BVerfGE 38, 23 (24 f.) = BeckRS 1974, 467).

Mit Blick auf den AfD-Politiker Björn Höcke müssten entsprechende Aktivitäten nachgewiesen werden. Das eigentliche Ziel, ihn von einer Kandidatur im Rahmen einer Landtags- oder Bundestagswahl auszuschließen, wird indes in Art. 18 GG nicht ausdrücklich erwähnt. Eine solche Rechtsfolge ist aber nach den einfachgesetzlichen Regelungen zum Parlamentswahlrecht durch Richterspruch möglich, etwa nach § 13 BWahlG. Ähnlich wie bei einem Parteiverbotsverfahren ist auch bei einer Grundrechtsverwirkung nicht mit schnellen Entscheidungen zu rechnen. Deshalb stellen beide Vorgehensweisen keine „Lösungen“ für zeitnah anstehende Wahlen dar. Hinzu kommt, dass die Verwirkung immer nur zeitlich befristet auszusprechen ist.

Hohe Hürden für Ausschluss von Kandidatur

Es gibt aber weitere Hürden, die Christian von Coelln in einem Beitrag für den Verfassungsblog im Januar 2024 aufgezeigt hat. Erstens gibt es gute Gründe dafür anzunehmen, dass sich Verwirkungsentscheidungen des BVerfG nach Art. 18 GG nur auf das Wahlrecht zum Bundestag beziehen können. Damit wäre in einem solchen Verfahren ein Ausschluss der Kandidatur bei einer Landtagswahl nicht zu verwirklichen. Da die Verfassung des Freistaats Thüringen eine entsprechende Regelung nicht kennt, kann auch auf diesem Wege ein Ausschluss von einer Kandidatur nicht erreicht werden. Noch schwerer wiegt allerdings der Hinweis, dass Verwirkungsentscheidungen nicht auf Tätigkeiten gestützt werden können, die die betreffenden Personen als Parteimitglieder ausgeübt haben. In diesen Fällen kann deshalb nur durch ein Parteiverbotsverfahren nach Art. 31 II GG ein Ausschluss von einer Kandidatur erreicht werden. Zwar gibt es zu beiden Fragen auch Gegenstimmen. Vor allen Dingen aber das zweite Argument ist von großem Gewicht. Ansonsten könnten die noch einmal höheren Hürden des Parteienverbots unterlaufen werden.

Diese Überlegungen machen deutlich, dass die Grundrechtverwirkung ein nur bedingt geeignetes Instrument ist, um rechtsextreme Politiker wie Björn Höcke an einer Kandidatur zu hindern. Neben dem politischen Wettbewerb um die Wählergunst bleibt deshalb das Parteiverbotsverfahren, das auch als einziges Verfahren verhindern kann, dass die demokratiegefährdenden Aktivitäten von rechtsextremen Politikern und Parteien aus Steuergeldern finanziert werden.

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Prof. Dr. Winfried Kluth lehrt Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.