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Aufwind für den Schiedsstandort Deutschland
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© Лилия Захарчук/adobe

Nach einem Vierteljahrhundert wird das Schiedsverfahrensrecht erneut reformiert. Auf Eckpunkte und Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums folgte am 26.6.2024 der Entwurf der Bundesregierung, der den Schiedsstandort Deutschland attraktiver machen soll.

19. Aug 2024

Das Schiedsverfahrensrecht im 10. Buch der ZPO wurde zuletzt 1997 grundlegend reformiert. Nun will es der Gesetzgeber punktuell nachschärfen. Dabei verfolgt er drei Ziele: das Schiedsrecht der heutigen Zeit anzupassen, seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen und die Attraktivität des Schiedsstandorts Deutschland zu stärken.

Dem ersten Ziel dient die Regelung, eine mündliche Verhandlung als Videoverhandlung durchführen zu können. Dies ist zwar nur eine Klarstellung (ausführlich Gielen/Wahnschaffe SchiedsVZ 2020, 257). Gleichwohl erhöht die ausdrückliche Regelung die Rechtssicherheit, indem sie jedweder Diskussion über die Zulässigkeit virtueller Verhandlungen von vornherein den Boden entzieht. In die gleiche Richtung zielt die Regelung, Schiedssprüche fortan auch elektronisch erlassen zu können; auch dies ist im digitalen Zeitalter nur angemessen. In die Kategorie der gesetzgeberischen Klarstellung fallen ebenso die Regelungen zur Zulässigkeit eines Sondervotums (dissenting opinion) und zur gerichtlichen Überprüfbarkeit einer negativen Zuständigkeitsentscheidung eines Schiedsgerichts. An dieser Stelle beendet die Reform die bisher bestehende Uneinigkeit in Rechtsprechung und Literatur. Fort- und Rückschritt zugleich ist die geplante Formfreiheit der Schiedsvereinbarung. Diese Regelung knüpft an das überarbeitete UNCITRAL-Modellgesetz aus dem Jahr 2006 an und stellt damit die deutsche Rechtslage vor 1997 wieder her. Aus Gründen der Beweisbarkeit ist die Verschriftlichung der Schiedsvereinbarung gleichwohl weiterhin empfehlenswert.

Stärkung der Leistungsfähigkeit

Zur Verwirklichung des zweiten Ziels schlägt der Gesetzgeber eine Regelung zur gemeinschaftlichen Schiedsrichterbestellung in Mehrparteienverfahren vor. Diese Regelung wird in Ad-hoc-Schiedsverfahren eine Lücke schließen; von den meisten Regelwerken der Schiedsinstitutionen ist diese Thematik bereits erfasst. Auch soll es den staatlichen Gerichten erlaubt werden, auf Antrag nicht mehr nur über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens im Allgemeinen, sondern auch über das Bestehen oder die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung im Besonderen rechtskräftig zu entscheiden. Damit werden frühzeitig Parallelverfahren verhindert. Außerdem sollen Parteien eines Schiedsverfahrens mit Schiedsort im Ausland einstweiligen Rechtsschutz vor deutschen Gerichten suchen können. Dieser Schritt war aufgrund einer missglückten Gesetzesformulierung bislang umstritten. Das gerichtliche Ermessen hinsichtlich der Vollziehung einer einstweiligen Maßnahme wird gestrichen; stattdessen gelten klare Vorgaben, die an die bekannten Aufhebungsgründe anknüpfen. Obgleich begrüßenswert, sind die Änderungen eher kosmetischer Natur. Eine wahre Innovation hätte die Einführung eines Eilschiedsrichter-Verfahrens bringen können. Hiervon hatte aber schon das Bundesjustizministerium zurecht wieder Abstand genommen (ausführlich Nedden/Grohmann GmbHR 2023, R176).

Stärkung des Schiedsstandorts

Zur Verwirklichung des dritten Ziels hält der Entwurf doch noch wahre Innovationen parat: Schiedsgerichte werden fortan von Commercial Courts flankiert. Der Bundestag hat das zugrunde liegende Justizstandort-Stärkungsgesetz am 4.7.2024 verabschiedet. Durch die wegfallende Übersetzungsarbeit werden Zeit und Kosten eingespart. Zudem stärkt die obligatorische Veröffentlichung der Beschlüsse von Commercial Courts die Rechtsfortbildung. Einziger Wermutstropfen ist, dass eine englische Verfahrensführung vor dem BGH nur mit Zustimmung des jeweiligen Senats möglich sein wird. Zugunsten der Rechtsfortbildung sollen zudem Schiedssprüche anonymisiert oder pseudonymisiert veröffentlicht werden. Das ist bisher in einigen institutionellen Schiedsverfahren möglich; nur wurde hiervon kaum Gebrauch gemacht. Nunmehr soll die Veröffentlichung erfolgen können, wenn die Parteien dieser nicht innerhalb von drei Monaten widersprechen. Schließlich möchte der Gesetzgeber einen Restitutionsantrag gegen rechtskräftige Schiedssprüche einführen, um das Vertrauen in die Schiedsgerichtsbarkeit zu stärken.

Die Reform des Schiedsverfahrensrechts ist Teil einer Gesamtoffensive des Gesetzgebers zur Stärkung des Justizstandorts Deutschland. Die punktuellen Neuregelungen sind wenig überraschend, setzen aber wichtige Impulse, um das Schiedsverfahrensrecht state-of-the-art zu halten.

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Rechtsanwältin Dr. Nicole Grohmann und Rechtsanwalt Dr. Nico Gielen sind Associates bei Hanefeld, Hamburg.