Zum Verständnis der "nicht geringen Menge" ist deren Entwicklung zu bedenken: Sie wurde 1972 als Regelbeispiel in das BtMG eingeführt und bestimmt sich anhand des Wirkstoffanteils (BGH NJW 1984, 675). Der Grenzwert ist betäubungsmittelspezifisch stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Intensität festzulegen (BGH Beschl. v. 11.12.2023 – 1 StR 276/23, BeckRS 2023, 37469) – dies gilt jedenfalls für vom BtMG umfasste Betäubungsmittel. Die Rechtsprechung hat sodann auf dieser Basis für verschiedene Betäubungsmittel Grenzwerte hierfür entwickelt (Überblick bei Krumm NJW 2022, 1995). Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs; fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (BGH NJW 2015, 969).
Die Grenzwerte der unter das BtMG fallenden Substanzen sind das Ergebnis einer Multiplikation einer Einzeldosis (äußerst gefährliche Dosis oder, wenn diese nicht festgestellt werden kann, einer durchschnittlichen Konsumeinheit) mit einer Maßzahl, in der die Wirkung und Gefährlichkeit der Droge zum Ausdruck kommen (Cassardt NStZ 1995, 257). Die Maßzahlen reichen von 150 für Heroin bis (in der Vergangenheit) 500 für Cannabis. Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen.
THC-Grenzwert überholt – was gilt nun?
Für Cannabis galten dabei bislang 7,5 g THC Wirkstoffgehalt als nicht geringe Menge (so etwa BGH BeckRS 2017, 108309). Wer also etwa zu Hause 40 g Cannabisblüten mit durchaus üblichem THC-Gehalt von 20 % aufbewahrte, beging bereits ein Verbrechen. Mit der neuen gesetzlichen Regelung wird aber etwa ein Monatseinkauf von 50 g bei einem "Cannabis Social Club" als straflose Menge akzeptiert. Erst darüber hinaus greift überhaupt der Straftatbestand des § 24 I Nr. 8 CanG; bei einer Konzentration von 20 % wären dies 10 g THC. Bisherige "Verbrecher" sind damit heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Was nun bedeutet unter diesen Umständen „nicht geringe Menge“?
Laut Begründung des Gesetzesentwurfs gilt nunmehr die Grenze von 7,5 g THC nicht mehr, was angesichts des vorstehenden Rechenbeispiels nicht erstaunt. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass sich diese Grenze wesentlich nach oben verschieben wird: "Sofern sich eine der genannten Tathandlungen auf eine nicht geringe Menge bezieht, liegt ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall vor, denn durch den illegalen Umgang mit nicht geringen Mengen wird insbesondere gefördert, dass Cannabis in einem nicht geringen Ausmaß illegal in den Verkehr kommt bzw. in ihm bleibt. Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit."
Da der Gesetzgeber die Frage der Strafbarkeit beim Besitz von Cannabis nunmehr von den bisher bestimmenden Gesichtspunkten der nicht geringen Menge entkoppelt hat, liegt es etwa nahe, diese bei 100 g anzusetzen; dies entspricht dem Zehnfachen der noch legalen Social-Club-Cannabismenge von 50 g mit einem Wirkstoffgehalt von (durchaus üblichen) 20 %. Wahrscheinlich werden auch wertende Betrachtungen bei der Ermittlung der nicht geringen Menge anhand (nicht mehr überprüfbarer) Pflanzenmengen (Vorschlag: 60 Pflanzen = Zwanzigfaches der erlaubten Pflanzenanzahl) oder (nicht mehr überprüfbarer) Bruttomengen (Vorschlag: 500 Gramm = zehn Mal die erlaubte Monatseinkaufsmenge) möglich sein, da der Gesetzgeber auch diese Kriterien nunmehr selbst für die Abgrenzung des erlaubten vom verbotenen Besitz nutzt. Jedenfalls wird die Rechtsprechung sich frühzeitig positionieren müssen, auch um „Altverfahren“ zuverlässig abhandeln zu können.
Dieser Beitrag stammt aus der NJW.
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