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"Steamboat Willie" – Schutzfrist abgelaufen?
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AmeriCantaro/adobe

Der Ablauf des Urheberrechts an Walt Disneys Kurzfilm "Steamboat Willie" aus dem Jahr 1928 – bekannt als erster Auftritt der Figur Micky Maus – hat sowohl in den Medien als auch bei Kunstschaffenden großen Widerhall gefunden. Dabei lässt ein wenig beachteter völkerrechtlicher Vertrag den Schutz des Werks in Deutschland fortdauern.

12. Mrz 2024

In der EU schafft die Schutzdauer-Richtlinie bezüglich der urheberrechtlichen Regelschutzfrist Einheitlichkeit: Am Ende des siebzigsten Jahrs nach dem Tod eines Künstlers läuft der Schutz seiner Werke nach dem Urheberrecht aus. International zeigt sich dagegen ein Flickenteppich aus Regelschutzfristen von 30 Jahren post mortem auctoris (heute nur noch in Somalia, historisch auch bis 1934 in Deutschland) bis zu 100 Jahren (Sonderfall Mexiko). In manchen Staaten sind darüber hinaus verlängerte Schutzfristen für Kriegsteilnehmer zu beachten (zum Beispiel nach französischem und russischem Recht bei Antoine de Saint-Exupéry und Sergei Prokofieff).

Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt das Urheberrecht der USA, das für vor 1978 geschaffene Werke eine Schutzfrist von 95 Jahren nach der Veröffentlichung vorsieht. Zwischenzeitlich ist das US-Recht auch zur sonst üblichen Formel übergegangen, was aber erst in einigen Jahrzehnten Wirkung entfalten wird.

Um auf internationaler Ebene materielle Gegenseitigkeit zu schaffen, stellt die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) einen so genannten Schutzfristenvergleich an: Auch wenn ein ausländisches Werk nach deutschem Recht eigentlich noch geschützt wäre, läuft das Urheberrecht automatisch mit dem Ende der Schutzfrist im Ursprungsland des Werks ab. Die englische Bezeichnung für diese Norm, rule of the shorter term, fasst ihre Bedeutung treffender zusammen.

Das hätte eigentlich zur Folge, dass das Urheberrecht an Walt Disneys Kurzfilm "Steamboat Willie" aus dem Jahr 1928 auch hierzulande nach 95 Jahren gemäß der Formel des US-Urheberrechts Ende vergangenen Jahres abgelaufen wäre. Der sieben Minuten lange Streifen ist filmhistorisch als erster Zeichentrick mit synchroner Vertonung relevant; darüber enthält er den ersten Auftritt von Micky und Minnie Maus. Wäre da nicht das "Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika über den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte", ein bis heute geltender völkerrechtlicher Vertrag aus dem Jahr 1892, der US-amerikanischen Urhebern eine so genannte Inländerbehandlung garantiert. Das bedeutet, dass die Regelschutzfrist für ihre Werke innerhalb Deutschlands nach der hiesigen Formel berechnet wird. Da nun der Komponist der damals bahnbrechend neuartigen Filmmusik, Wilfred Jackson, erst 1988 starb, ist "Steamboat Willlie" hierzulande noch bis Ende 2058 geschützt – denn die deutsche Regelschutzfrist berechnet sich nach dem längstlebenden Miturheber.

Divergierende Schutzfristen beschäftigen Gerichte

Diese kuriose Situation ist schon seit Langem bekannt (Schack GRUR Int. 1995, 310) und hat im Fall des „Tarzan“-Romans von Edgar Rice Burroughs aus dem Jahr 1912 auch bereits die Gerichte beschäftigt (BGH GRUR 2014, 559). In diesem Jahr zeitigt sie aber eine besonders plastische Folge (zuerst John DFN-Infobrief Recht 7/2023, 11). Sowohl Art. 7 VIII RBÜ als auch Art. 7 III Schutzdauer-Richtlinie lassen eine solche bilaterale Regelung auch ausdrücklich zu.

Man kann nun kritisieren, dass der deutsche Gesetzgeber einem Werk urheberrechtlichen Schutz gewährt, nachdem die Rechtsordnung des Schöpfungsakts dies nicht mehr für nötig erachtet – insbesondere, weil es so hiesigen Künstlern anders als in den USA verwehrt bleibt, den Film in eigenen Werken frei zu rezipieren. Außerdem war es wohl unbeabsichtigt, dass das Übereinkommen von 1892 im Jahr 1989 mit dem Beitritt der USA zum RBÜ wieder auflebte, nachdem es ab 1955 durch das Welturheberrechtsabkommen verdrängt worden war.

Die Walt Disney Company hat für den Ablauf des Urheberrechts an "Steamboat Willie" außerhalb Deutschlands jedenfalls vorgesorgt, indem sie in den letzten Jahren durch entsprechende Markenanmeldungen und eine Nutzung der ursprünglichen Micky-Figur (in schwarz-weiß, mit langer Nase und ohne Handschuhe) in einer Vielzahl von Lizenzprodukten für einen starken markenrechtlichen Schutz gesorgt hat – dieser ist bekanntlich anders als das Urheberrecht beliebig verlängerbar. 

Dr. Lukas Mezger ist Rechtsanwalt und Partner bei Unverzagt Rechtsanwälte, Hamburg.