In dreifacher Hinsicht missbraucht diese Praxis das allein in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung (GGO) erwähnte Instrument der Formulierungshilfen: Bezüglich des Umfangs sind Formulierungshilfen an sich nur als punktuelle Unterstützung zu einzelnen Aspekten eines Gesetzentwurfs gedacht, bezüglich des Autors sollen sie vor allem legislatorische Hilfe bei der Umsetzung eines anderweitig gebildeten politischen Willens leisten und bezüglich des Zeitpunkts sind sie primär auf Änderungsanträge zu einem bereits im Verfahren befindlichen Gesetzentwurf zugeschnitten.
Unechte Bundestagsbeschlüsse als kollusive Farce
Wenn wie derzeit vollständige Gesetzentwürfe einschließlich Begründung von einem einzelnen Bundesministerium ausgearbeitet und wortgleich von den Regierungsfraktionen eingebracht werden, handelt es sich der Sache nach um unechte Bundestagsinitiativen. Sie sind ein großer Etikettenschwindel, schlimmer noch, sie sind eine kollusive Farce. Denn ihre Autorenschaft wird gar nicht geleugnet. Die Formulierungshilfen der jeweiligen Ministerien finden sich im Netz, werden zum Teil wohl auch betroffenen Verbänden vorab zugänglich gemacht, die – jedenfalls teilweise – dazu Stellung nehmen können. Trotzdem sind sich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen nicht zu schade, sich formal – und das heißt vor allem gegenüber dem Grundgesetz – als Initiatoren eines Gesetzentwurfs auszugeben, den sie im Zweifel kaum kennen und dem sie doch (partei-)blind vertrauen.„Was schadet es?“, werden effizienzorientierte Politiker und Beobachter fragen, die verfassungsrechtliche Verfahrensvorschriften als bloße Förmelei verstehen. Und welche Vorschrift sollte dem entgegenstehen? Tatsächlich setzt das Grundgesetz mit seinen Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren recht spät an, regelt erst die Einbringung eines Gesetzentwurfs, verhält sich aber nicht zu dessen Autoren. Wenn Abgeordnete sich das Werk anderer zu eigen machten und dafür die politische Verantwortung übernähmen, sei dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, argumentiert die wohl sogar h.M. und hebt den praktischen Vorteil von Bundestagsinitiativen hervor, der häufig als entscheidendes Motiv genannt wird: den Zeitgewinn. Denn anders als Regierungsvorlagen müssen Bundestagsinitiativen nicht zunächst dem Bundesrat zu einer ersten Stellungnahme zugeleitet werden. Das Verfahren kann so um mindestens drei Wochen verkürzt werden. Substanzielle Rechte gingen dem Bundesrat nicht verloren, wird die offensichtliche Umgehung des Art. 76 II GG gerechtfertigt, denn dem Bundesrat bleiben seine Rechte aus Art. 77 GG im weiteren Verfahren erhalten.