Kolumne
Farce mit Fristen

Bei der letzten Justizministerkonferenz gab es Ärger zwischen den Ressortchefs der Länder und ihrer Amtskollegin im Bund. Zankapfel waren die kurzen Fristen für Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben. Sie seien „oftmals so knapp bemessen, dass eine sachgerechte Praxisbeteiligung und Stellungnahme kaum oder im Einzelfall gar nicht mehr möglich ist“, hieß es dazu in einem einstimmigen Beschluss der Landesminister.

18. Jan 2021

Auch die Anwaltsorganisationen haben das Bundesjustizministerium wegen kurzer Stellungnahmefristen auf dem Kieker. Im November letzten Jahres wurden sie mit einer ganzen Reihe von Gesetzentwürfen zum Anwaltsrecht beglückt. Mit Schreiben vom 2.11. erhielten sie aus der Mohrenstraße den Entwurf für die BRAO-Reform. Stellungnahmen erbat sich das Ministerium bis zum 7.12. Das ist sportlich bei einem Regelwerk von fast 350 Seiten. Am 7.11. kam schon wieder Post, diesmal ein Gesetzentwurf zu verbrauchergerechten Angeboten im Rechtsdienstleistungsmarkt. Gelegenheit zur Stellungnahme bestand auch hier bis zum 7.12. Bei der Bundesrechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltverein rauchten die Köpfe – ob der intensiven Befassung mit so viel Berufsrecht, aber auch aus Verärgerung über die ministeriellen Zeitvorgaben. „Da die Stellungnahmefrist erneut äußerst kurz bemessen wurde, bittet die BRAK das BMJV nochmals eindringlich, zukünftig angemessenere Fristen zu gewähren“, schrieb die Kammer.

Dabei sind die für Justiz und Verbraucherschutz zuständigen Beamten im Vergleich zu anderen Ressorts geradezu großzügig. Bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes bekamen die Verbände vom Bundeswirtschaftsministerium zwei Tage, um den 450 Seiten starken Entwurf zu kommentieren. „So viele Seiten, so wenig Zeit“, schrieb dazu der Branchendienst Heise online. Das Bundesinnenministerium wiederum empörte die adressierten Kreise zunächst mit einer fünftägigen Stellungnahmefrist für das sogenannte Hate-Speech-Reparaturgesetz. Anschließend trieb das Haus die Farce mit den Fristen beim IT-Sicherheitsgesetz 2.0 auf die Spitze. Anfang Dezember veröffentlichte es einen Diskussionsentwurf mit dem Hinweis, dass er noch nicht in der Bundesregierung abgestimmt sei und es noch Anpassungsbedarf gebe. Dennoch terminierte man schon mal eine ambitionierte Stellungnahmefrist, die abzüglich des Wochenendes etwa zweieinhalb Werktage umfasste. Nach Protesten verlängerte das Ministerium die Frist um einige Tage und sprach von einem redaktionellen Fehler. Nachdem man die Verbände den Entwurf dann sechs Tage kommentieren ließ, folgte am 9.12. eine neue Fassung, die gegenüber der vorherigen wesentliche Änderungen enthielt. Unverändert blieb hingegen die Frist zur Stellungnahme, die damit in Bezug auf den neuen Entwurf auf gut einen Tag zusammenschrumpfte. „Ein derartiges Vorgehen ist absolut inakzeptabel“, schimpfte der Branchenverband Bitkom. Die Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AG Kritis) formulierte ihren Ärger etwas direkter: „Eine so kurze Frist ist der ministerielle Mittelfinger ins Gesicht der Zivilgesellschaft.“ •

Rechtsanwalt Tobias Freudenberg ist Schriftleiter der NJW.