NJW-Editorial
Familienrecht 2024
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Jetzt kennen wir sie. Am 16.1.2024 wurden die in der Presse bereits angekündigten Eckpunkte für eine Reform des Abstammungs- und des Kindschaftsrechts, also insbesondere des Rechts der elterlichen Sorge und des Umgangs, vorgelegt. Unser NJW-Editorial.

25. Jan 2024

Zwar wurden uns Reformen im Familienrecht seit Jahren versprochen, zuletzt im Koalitionsvertrag der Ampel, gewartet haben wir darauf aber Jahr für Jahr vergeblich. Auch ein Rückblick auf 2023 hat den Familienrechtler wieder eher verzweifeln lassen, da der bestehende immense Reformstau allenfalls partiell in Angriff genommen wurde. Selbst die im August vorgelegten Eckpunkte für eine Unterhaltsrechtsreform haben die vorhandene Skepsis eher befeuert, da sich die geplante Reform des Kindesunterhalts als weitere „Insellösung“ herausstellte, die die unterhaltsrechtlichen Auswirkungen einer Mitbetreuung des Kindes durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil nur in einem Teilbereich gesetzlich regeln soll.

Nun sollen also die Reformen des Abstammungs- und des Kindschaftsrechts angegangen werden. Immerhin liegen Eckpunkte vor (s. in diesem NJW-Heft auf S. 8), aber natürlich auch wieder „nur“ Eckpunkte. Die zur Unterhaltsrechtsnovelle (auf einen Referentenentwurf warten wir dort noch immer vergeblich) haben Vertreter des Bundesjustizministeriums auf diversen Veranstaltungen erläutert. Es bestand also Erklärungsbedarf. Auch die neu vorgelegten Eckpunkte gäben mehrfach Anlass zu Nachfragen. Nur umschreibende Ankündigungen statt der konkreten Formulierung in einem Gesetzentwurf bleiben oft im Ungewissen, es gibt keine Begründung, die ergänzend herangezogen werden könnte. So soll etwa die partnerschaftliche Betreuung eines Kindes auch nach Trennung der Eltern als Umgangsregelung im Gesetz vorgesehen werden. Aber ist auch eine Regelung zur Wiederauflösung dieser vorgesehen, wenn sie dem Wohl des Kindes nicht mehr dient? Vor allem, wenn nur ein Elternteil sorgeberechtigt ist, entzündet sich gerade daran aktuell der Streit. Zudem werden umfangreiche Ermittlungspflichten des Familiengerichts in Gewaltfällen angekündigt, aber werden sie auch verfahrensrechtlich flankiert, wenn sie denn länger dauern, als das Beschleunigungsgebot in Umgangsverfahren es eigentlich zulässt?

Eine konkrete Einschätzung ist kaum möglich, mancher Widerspruch in den Eckpunkten eher „gefühlt“, als dass er tatsächlich gegriffen werden könnte. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass jetzt zeitnah die Referentenentwürfe folgen und dass dann genug Zeit bleibt, über diese fachlich fundiert zu diskutieren. Die von den Neuregelungen betroffenen Familien hätten es verdient. In diesem Sinn: Alles Gute für das Familienrecht 2024!

Prof. Dr. Isabell Götz ist Vors. Richterin am OLG München a.D. und ​Ehrenvorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags e.V.