NJW-Editorial
eVerkündung – erst ein Anfang
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Seit Jahresbeginn werden Gesetze und Verordnungen auf der Plattform www.recht.bund.de verkündet statt etwa im papierenen Bundesgesetzblatt. Vorsichtshalber hat die Politik dafür sogar das Grundgesetz geändert. Doch das ist erst der Anfang.

19. Jan 2023

Nach rund fünfzehnjähriger Diskussion über die Frage, ob der grundgesetzliche Begriff „Bundesgesetzblatt“ unter Berücksichtigung der Veränderung des soziokulturellen Umfelds auch eine elektronische Version im Sinne einer authentischen Gesetzesverkündung zulässt, haben eine Verfassungsänderung und das „Gesetz zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens“ im Dezember für Klarheit gesorgt. Der Weg für eine ausschließlich elektronische, unentgeltliche, barrierefreie, ressourcen- und zeitsparende Verkündung ist eröffnet. Seit Jahresbeginn werden Gesetze und Verordnungen nun auf der Plattform www.recht.bund.de verkündet und eine dort am 4.1.​2023 bekannt gemachte Verordnung hat gezeigt: Es funktioniert! Frühere Bedenken gegen eine rein digitale Verkündung unter Hinweis auf die Zumutung, im Internet die authentische Gesetzesfassung aufzusuchen, hatten sich ins Gegenteil verkehrt: Im Zeitalter der digitalen Transformation und der digitalen Lebensrealität der Menschen erscheint es nicht nur lästig, sondern sogar verfassungsrechtlich riskant, Bürgerinnen und Bürger als Adressaten des Gesetzes auf die zeitaufwändige, entgeltliche Beschaffung von ­Papierexemplaren zu verweisen.

Die Darstellung eines PDF-Exemplars einer neuen Norm auf der Plattform kann aber nur ein erster Schritt sein. Denn dies schöpft die Potenziale heute verfügbarer Tech­nologien längst nicht aus. Ein strukturiertes XML-Format würde eine automatische ­Weiterverarbeitung erheblich vereinfachen. Dies ließe es zu, gängige Formate (wie HTML, ePub, PDF) einfach zu generieren, maßgeschneiderte Ansichten für Menschen mit sehr unterschiedlich ausgeprägten Sehbehinderungen zu präsentieren oder auch leichter (automatische) Übersetzungen in andere Sprachen herzustellen. Zwar hat sich der Gesetzgeber gescheut, diesbezügliche Festlegungen in die Vorgaben für die Verkündung aufzunehmen, hat aber solche Entwicklungen auch nicht ausgeschlossen. So ist die Bundesregierung bereits in konkrete Planungen eingetreten.

Überfällig ist es auch, die Verkündung in einen durchgehend elektronischen Gesetzgebungsprozess einzubetten. Ziel des Projekts „E-Gesetzgebung“ ist es, die bisher bestehenden Medienbrüche im Gesetzgebungsprozess innerhalb und zwischen der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, dem Vermittlungsausschuss und dem Bundespräsidialamt aufzulösen und das Verfahren auf Bundesebene elektronisch, medienbruchfrei, interoperabel und informationstechnologisch entwicklungsoffen abzubilden. Dieses Projekt ist zu beschleunigen. Denn schließlich geht es darum, neue ­digitale Instrumente auch dafür zu nutzen, für jedermann mehr Transparenz zu schaffen – über die Grundlagen der politischen Entscheidungsfindung im Gesetzgebungsverfahren, das geltende Recht und zu den Auswirkungen der Normen in der Praxis.

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Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, Staatssekretär a.D., ist Rechtsanwalt und Honorarprofessor für IT-Recht an der Universität Leipzig sowie Vorstandsmitglied des Deutschen EDV-Gerichtstags e.V..