Urteilsanalyse
EuGH soll entscheiden: Ist der Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte (DSB) mit dem Unionsrecht vereinbar?
Urteilsanalyse
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Der EuGH soll nach einem Beschluss des BAG vom 30.07.2020 bewerten, ob der Sonderkündigungsschutz nach § 6 IV 2 BDSG unionsrechtswidrig ist, sofern der Bezug zur Erfüllung der Aufgaben als „DSB“ fehlt.

19. Nov 2020

Anmerkung von
Rechtsanwältin Dr. Katrin Haußmann, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 46/2020 vom 19.11.2020

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Sachverhalt

Im Kündigungsschutzprozess zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber war für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend, ob die Klägerin sich auf den besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte (DSB) gemäß § 38 II BDSG i.V.m. § 6 IV 2 BDSG berufen konnte. Die Klägerin war ab Januar 2018 als Teamleiterin Recht eingesetzt in dem von der Beklagten privatrechtlich organisierten Arbeitgeberunternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten. Die Beklagte hatte die Klägerin als Datenschutzbeauftragte benannt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich und begründete die Kündigung mit einer Umstrukturierungsmaßnahme, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses geführt hätte. ArbG und LAG gaben der Kündigungsschutzklage statt. Die ordentliche Kündigung erachteten beide Instanzgerichte für unwirksam, weil die Klägerin den Sonderkündigungsschutz der DSB genieße und ihr Arbeitsverhältnis nur aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden könne. Die Umstrukturierung sei kein wichtiger Grund.

Entscheidung

Das BAG legt den Rechtsstreit dem EuGH zur Entscheidung vor. Es geht davon aus, dass die DS-GVO verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat wirkt und das Unionsrecht Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat. Die DS-GVO regelt als vorrangige unionsrechtliche Rechtsquelle, dass DSB wegen der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden dürfen. Das BAG als vorlegendes Gericht sieht diese Regelung nicht als gleichbedeutend mit einem generellen Kündigungsverbot an. Daher käme es darauf an, ob der Sonderkündigungsschutz Gegenstand der materiell-rechtlichen Gesetzgebungskompetenz der Union sei. Fraglich sei, ob die Verknüpfung der Bestellung des DSB mit seiner arbeitsrechtlichen Stellung im Ergebnis dazu führe, dass teilweise, d.h. für die materiell-arbeitsrechtlichen Regelungen keine unionsrechtliche Gesetzgebungskompetenz bestünde. Dann ginge das nationale Recht insoweit vor. Aus diesen Überlegungen entwickelt das BAG drei Vorlagefragen, mit denen aufgeklärt werden soll, ob

  • eine nationale Vorschrift unzulässig ist, die generell die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines DSB ausschließt?
  • Ggf. die Vorschrift auch dann unzulässig wäre, wenn ein DSB bestellt ist, die Bestellung nach Unionsrecht jedoch gerade nicht verpflichtend gewesen wäre?
  • Ob die unionsrechtliche Vorgabe, wonach DSB vor der Abberufung wegen Erledigung ihrer Aufgaben geschützt werden sollen (Art. 38 III 2 DS-GVO), auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht?

Das BAG lässt in der Erläuterung der dritten Vorlagefrage deutlich erkennen, dass es Zweifel an der Gültigkeit der DS-GVO und Bedenken gegen die Rechtsetzungsbefugnisse der EU hier im Ergebnis nicht teilt.

Praxishinweis

Das Vorlageverfahren kann Bedeutung über die konkrete Fallgestaltung der Kündigung gegenüber DSB hinaus haben. Das Verhältnis der Vorgaben der DS--GVO zu nationalem Recht ist nicht nur von Bedeutung, wenn Unternehmen gegenüber DSB eine Kündigung aussprechen. Diskussionen darüber, ob nationales Recht strengere Regeln aufstellen kann, wenn mit der DS-GVO europaweit einheitliche Standards gesetzt werden sollten, werden auch an anderer Stelle geführt. Seit Inkrafttreten der DS-GVO wird erörtert, wie sich der zentrale Erlaubnistatbestand für Datenverarbeitungen in Art. 6 DS-GVO und die Rechtsgrundlage für Datenverarbeitungen im Beschäftigungsverhältnis (§ 26 BDSG) zueinander verhalten. Nunmehr wird Art. 6 DS-GVO als zentraler allgemeiner gesetzlicher Erlaubnistatbestand angesehen (Kort, NZA 2018, 1097). Daraus folgt, dass die Verarbeitung von Beschäftigtendaten, die den Zwecken der Begründung, Durchführung oder Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses dient, auf § 26 BDSG gestützt werden kann, daneben aber die Verarbeitung von Beschäftigtendaten zu anderen als den Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses durch die allgemeinen datenschutzrechtlichen Erlaubnisnormen, insbesondere Art. 6 Abs. 1b, c oder f DS-GVO legitimiert wird. Das Zusammentreffen unionsrechtlicher Vorgaben und anderer Regeln nach nationalem Recht gewinnt auch Bedeutung im Verhältnis zwischen DS-GVO und BetrVG, auch bezogen auf Informations- oder Kontrollrechte der Betriebsräte nach § 80 BetrVG (vgl. LAG Hamm, ArbRAktuell 2017, 603).

BAG, Beschluss vom 30.07.2020 - 2 AZR 225/20 (A) (LAG Nürnberg), BeckRS 2020, 26575