Urteilsanalyse
Erforderliche Zustimmung zur Rücknahme eines Restschuldbefreiungsantrages
Urteilsanalyse
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Hat ein Gläubiger in einem asymmetrischen Verfahren in dem zur Anhörung der Gläubiger anberaumten Termin oder innerhalb der stattdessen gesetzten einheitlichen Erklärungsfrist einen zulässigen Versagungsantrag gestellt, kann der Schuldner nach Ansicht des BGH seinen Antrag auf Restschuldbefreiung nur noch mit Zustimmung dieses Gläubigers zurücknehmen.

1. Okt 2021

Anmerkung von

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 20/2021 vom 30.09.2021

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Sachverhalt

Der Schuldner beantragte am 6.3.2012 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen und ihm Restschuldbefreiung zu erteilen. Das Insolvenzverfahren wurde am 29.5.2012 eröffnet und ist bislang noch nicht abgeschlossen. Nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung des Schuldners gab das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 18.7.2018 den Insolvenzgläubigern und dem Insolvenzverwalter Gelegenheit, im schriftlichen Verfahren bis zum 29.8.2018 Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen. Weiter heißt es in dem Beschluss, das Gericht werde nach Ablauf der Frist "- ggf. nach Anhörung des Schuldners zu den vorgebrachten Versagungsgründen -" über die Erteilung der Restschuldbefreiung entscheiden. Der Beschluss wurde auch dem Schuldner bekannt gegeben. Innerhalb der gesetzten Frist beantragte der weitere Beteiligte zu 4 neben drei weiteren Insolvenzgläubigern die Versagung der Restschuldbefreiung, der weitere Beteiligte zu 4 mit der Begründung, dass der Schuldner durch das Amtsgericht Dresden am 12.10.2012 wegen Katalogstraftat nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO verurteilt worden sei. Der Schuldner nahm seinen Antrag auf Restschuldbefreiung mit Schreiben vom 4.9.2018 zurück. Anschließend gab ihm das Insolvenzgericht Gelegenheit zur Stellungnahme zu den eingegangenen Versagungsanträgen. Der weitere Beteiligte zu 4 und weitere Versagungsantragsteller erklärten, der Antragsrücknahme nicht zuzustimmen.

Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner daraufhin auf Antrag der vier Versagungsantragsteller die Restschuldbefreiung versagt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben. Mit seiner durch das Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebte der weitere Beteiligte zu 4 die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts. Im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung

Der BGH führte aus, dass der Schuldner seinen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung nicht wirksam zurückgenommen habe. Zwar könne ein Schuldner im Grundsatz seinen Antrag auf Restschuldbefreiung jederzeit zurücknehmen (BGH WM 2016, 2315), jedoch könne er diesen analog § 269 Abs. 1 ZPO dann nicht mehr ohne Einwilligung zurücknehmen, wenn er die Rücknahme erkläre, nachdem ein Insolvenzgläubiger gem. § 289 Abs. 1, § 290 InsO a. F. im Schlusstermin oder innerhalb der vom Insolvenzgericht im schriftlichen Verfahren für die Versagungsantragstellung gesetzten Frist einen zulässigen Antrag auf Versagen der Restschuldbefreiung gestellt und das Insolvenzgericht dem Schuldner hierauf die Restschuldbefreiung versagt habe (BGH WM 2018, 1371).

Gleiches gelte, wenn die Restschuldbefreiung aufgrund des von einem Gläubiger in dem gem. § 300 Abs. 1 InsO zur Anhörung anberaumten Termin oder innerhalb der stattdessen gesetzten Erklärungsfrist gestellten zulässigen Versagungsantrags nach § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 InsO zu versagen sei und nur noch eine entsprechende Entscheidung des Insolvenzgerichts ausstehe (vgl. BGH, aaO).

In beiden Fällen habe der Gläubiger einen Anspruch darauf, dass sich der Schuldner nicht dem Verfahren entziehe und die Ergebnisse der Anhörung zu seinem Restschuldbefreiungsantrag durch dessen Rücknahme zunichtemache. Andernfalls erhielte dieser die Möglichkeit, einer sachlich berechtigten Versagung nachträglich den Boden zu entziehen (vgl. BGH WM 2016, 2315).

Praxishinweis

Über die bereits entschiedenen Fallgestaltungen hinaus kann ein Antrag auf Restschuldbefreiung schon dann nicht mehr zurückgenommen werden, sobald im Schlusstermin oder nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ein zulässiger Versagungsantrag gestellt worden ist. Die Gründe der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit der Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung geltend auch in diesem Fall in gleicher Weise. Es überwiegt das Interesse des Gläubigers an einer gerichtlichen Entscheidung über seinen Versagungsantrag. Hierauf wies der BGH nochmals ausdrücklich hin.

Ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 297 InsO oder nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO a. F. oder nach § 296 InsO versagt worden, ist er nach § 287a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 InsO in der ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung für die Dauer von fünf oder drei Jahren an der erneuten Stellung eines Restschuldbefreiungsantrags gehindert. Ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO a. F. versagt worden, ist der Schuldner zwar nicht nach § 287a Abs. 2 InsO n. F. gehindert, nach der Versagung der Restschuldbefreiung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens sofort wieder einen Antrag auf Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und auf Restschuldbefreiung zu stellen, und muss er, sofern die in § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten Fristen abgelaufen sind, insoweit keinen neuen Versagungsantrag der Gläubiger befürchten. Doch können die Gläubiger im Erstverfahren bei Versagung der Restschuldbefreiung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 InsO an dem Neuerwerb des Schuldners gem. § 35 Abs. 1 InsO teilhaben. Auch hierauf wies der Senat in der Entscheidung nochmals hin.

BGH, Beschluss vom 15.07.2021 - IX ZB 33/20 (LG Berlin), BeckRS 2021, 24819