Urteilsanalyse

Erb­fol­ge­nach­weis im Grund­buch­ver­fah­ren bei auf Un­ter­las­sen einer An­fech­tung ab­stel­len­der Ver­wir­kungs­klau­sel
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Ent­hält der no­ta­ri­el­le Erb­ver­trag eine Klau­sel, wo­nach der zum Schlus­serben ein­ge­setz­te Ab­kömm­ling von der Erb­fol­ge aus­ge­schlos­sen ist, falls er nach dem Tode des Erst­ster­ben­den "die­sen Erb­ver­trag an­fech­ten oder sei­nen Pflicht­teil ver­lan­gen" soll­te, so kann nach An­sicht des OLG Saar­brü­cken der Nach­weis der Erb­fol­ge im Grund­buch­ver­fah­ren auch nicht unter er­gän­zen­der Vor­la­ge einer ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung eines Mit­er­ben ge­führt wer­den, wo­nach kei­ner der Schlus­serben den Erb­ver­trag an­ge­foch­ten habe.

25. Feb 2022

An­mer­kung von 
JR Dr. Wolf­gang Lit­zen­bur­ger, Notar in Mainz
       
Aus beck-fach­dienst Erbrecht 02/2022 vom 18.02.2022

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Sach­ver­halt

Die An­trag­stel­ler be­geh­ren die Ein­tra­gung des Be­tei­lig­ten zu 1) als neuen Ei­gen­tü­mer des im Grund­buch ein­ge­tra­ge­nen Grund­be­sit­zes auf­grund eines Er­baus­ein­an­der­set­zungs­ver­tra­ges.

Die im Grund­buch ein­ge­tra­ge­nen Ei­gen­tü­mer, Vater und Mut­ter der An­trag­stel­ler, sind ver­stor­ben. Sie hat­ten am 28. März 1989 einen Erb­ver­trag ab­ge­schlos­sen. Darin hat­ten sich beide Ehe­gat­ten wech­sel­sei­tig ohne Rück­sicht auf das Vor­han­den­sein von Pflicht­teils­be­rech­tig­ten zu al­lei­ni­gen Erben des Über­le­ben­den ein­ge­setzt, der Über­le­ben­de soll­te so­wohl unter Le­ben­den wie auch von Todes wegen frei ver­fü­gen kön­nen, für den Fall des gleich­zei­ti­gen Verster­bens bzw. falls der Über­le­ben­de nicht tes­tiert setz­ten sie bzw. der Über­le­ben­de ihre Kin­der, die drei An­trag­stel­ler, zu je 1/3-An­teil zu ihren Erben ein. Wei­ter­hin heißt es in § 3 des Erb­ver­tra­ges: „Soll­te einer un­se­rer Ab­kömm­lin­ge nach dem Tode des Erst­ster­ben­den die­sen Erb­ver­trag an­fech­ten oder sei­nen Pflicht­teil ver­lan­gen, so ist er mit sei­nen Ab­kömm­lin­gen von der Erb­fol­ge des Über­le­ben­den aus­ge­schlos­sen.“

 Die An­trag­stel­ler haben im Er­baus­ein­an­der­set­zungs­ver­trag je­weils vor dem Notar an Eides statt ver­si­chert, „dass kei­ner von uns nach dem Tode un­se­res Va­ters sei­nen Pflicht­teil gel­tend ge­macht hat“.

Auf einen Hin­weis des Grund­buch­am­tes reich­te der Ver­fah­rens­be­voll­mäch­tig­te der An­trag­stel­ler eine wei­te­re no­ta­ri­el­le Ur­kun­de ein, in der der Be­tei­lig­te zu 1) an Eides statt ver­si­cher­te, „dass der Erb­ver­trag un­se­rer El­tern vom 28. März 1989 … nach dem Tode un­se­res Va­ters (Erst­verster­ben­de) von kei­nem der Schlus­serben, also weder von mei­nen Brü­dern R. und M. noch von mir, an­ge­foch­ten wurde.“

Mit der an­ge­foch­te­nen Zwi­schen­ver­fü­gung hat das Grund­buch­amt die An­trag­stel­ler dar­auf hin­ge­wie­sen, dass zu der be­an­trag­ten Ein­tra­gung der lü­cken­lo­se Erb­nach­weis fehle. Nach dem Erb­ver­trag sei der Über­le­ben­de zwar von den drei Über­ge­bern - den Be­tei­lig­ten zu 1) bis 3) - be­erbt wor­den, dies je­doch nur unter der - einer Pflicht­teils­straf­klau­sel ver­gleich­ba­ren und dem­ge­mäß gleich zu be­han­deln­den - Be­din­gung, dass je­weils nach dem Tode des Erst­verster­ben­den der Erb­ver­trag nicht an­ge­foch­ten und ein Pflicht­teil nicht ver­langt wor­den sei. Daher sei die Erb­fol­ge zu­min­dest durch Vor­la­ge ei­des­statt­li­cher Ver­si­che­run­gen sämt­li­cher Mit­er­ben, sonst durch Erb­schein, nach­zu­wei­sen.

Da­ge­gen rich­tet sich die von den An­trag­stel­lern ein­ge­leg­te Be­schwer­de, der das Amts­ge­richt nicht ab­ge­hol­fen hat.

Ent­schei­dung: Das Grund­buch­amt hat die be­an­trag­te Ein­tra­gung zu Recht von der Bei­brin­gung wei­te­rer Nach­wei­se zur Er­ben­stel­lung - rich­ti­ger­wei­se: eines Erb­schei­nes - ab­hän­gig ge­macht.

Den er­for­der­li­chen Nach­weis der Er­ben­stel­lung der Ver­äu­ße­rer haben die Be­tei­lig­ten bis­lang noch nicht er­bracht. Die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung - nur - des Be­tei­lig­ten zu 1), wo­nach der Erb­ver­trag weder von ihm noch den an­de­ren Mit­er­ben „an­ge­foch­ten“ wor­den sei, reicht dazu nicht aus. § 3 des Erb­ver­tra­ges stellt gleich­ran­gig auf das Un­ter­las­sen einer „An­fech­tung“ der letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung und eines Pflicht­teils­ver­lan­gens ab. Nach § 2075 BGB führt dies dazu, dass die Erbein­set­zung durch den Um­stand oder das Ver­hal­ten auf­lö­send be­dingt ist, an wel­chen oder wel­ches die Klau­sel an­knüpft. Die dazu not­wen­di­ge Fest­stel­lung, dass keine die­ser bei­den Al­ter­na­ti­ven vor­liegt, kann mit den vor­ge­leg­ten Ur­kun­den nicht ge­trof­fen wer­den.

Die ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung al­lein des Be­tei­lig­ten zu 1) ist schon des­halb un­taug­lich, das Un­ter­blei­ben einer „An­fech­tung“ - d.h. eines kom­ple­xen, auch mit einer recht­li­chen Wür­di­gung ver­bun­de­nen Vor­gan­ges - auch durch die an­de­ren Mit­er­ben zu be­le­gen, die in einem ent­spre­chen­den Erb­scheins­ver­fah­ren zwin­gend zu be­tei­li­gen wären.

Hinzu kommt die un­kla­re Fas­sung der Ver­wir­kungs­klau­sel, die völ­lig offen lässt, wel­ches kon­kre­te Ver­hal­ten da­durch aus Sicht der Erb­las­ser sank­tio­nie­ren wer­den soll­te. Denn der darin ver­wen­de­te Be­griff der „An­fech­tung“ ist nicht ein­deu­tig. Er kann rechts­tech­nisch ge­meint sein, aber auch auf alle Hand­lun­gen ab­zie­len, die sonst ge­eig­net sind, die Ver­fü­gung ganz oder teil­wei­se zu Fall zu brin­gen (vgl. OLG Dres­den NJW-RR 1999, 1165; OLG Braun­schweig OLGZ 1977, 185; Ba­yO­bLGZ 1962, 47). Für die Er­mitt­lung, ob ein im Sinne der Ver­wir­kungs­klau­sel sank­ti­ons­be­wehr­tes Ver­hal­ten des Be­dach­ten vor­liegt, be­dürf­te es daher zu­nächst einer Aus­le­gung des Erb­ver­tra­ges. Die dabei ge­bo­te­ne Be­rück­sich­ti­gung der Ge­samt­um­stän­de ist je­doch im vor­lie­gen­den Grund­buch­ein­tra­gungs­ver­fah­ren mit der in § 29 Abs. 1 GBO vor­ge­se­he­nen Be­schrän­kung der zu­läs­si­gen Be­weis­mit­tel re­gel­mä­ßig - und so auch hier - nicht mög­lich (BGH BeckRS 2016, 17767).

Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung be­trifft eine so­wohl in no­ta­ri­ell als auch in ei­gen­hän­dig ver­fass­ten ge­mein­schaft­li­chen Tes­ta­men­ten noch immer an­zu­tref­fen­de For­mu­lie­rung einer Ver­wir­kungs­klau­sel, wo­nach der­je­ni­ge (ge­mein­sa­me) Ab­kömm­ling, der „das Tes­ta­ment an­ficht“ oder „sich dem Tes­ta­ment nicht un­ter­wirft“ von der Schlus­serb­fol­ge aus­ge­schlos­sen sein soll. Der Senat weist in die­sem Zu­sam­men­hang völ­lig zu Recht dar­auf hin, dass wegen der so un­be­stimm­ten For­mu­lie­rung der ei­gent­lich mit der Er­rich­tung einer no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­ten Ver­fü­gung von Todes wegen ver­bun­de­ne Vor­teil, im Grund­buch­ver­fah­ren kei­nen teu­ren Erb­schein vor­le­gen zu müs­sen, wie­der zu­nich­te­ge­macht wird. Fer­ner sei an die­ser Stel­le dar­auf hin­ge­wie­sen, dass eine so for­mu­lier­te Ver­wir­kungs­klau­sel auch Ban­ken und Ver­si­che­run­gen nach den der­zeit gül­ti­gen Ge­schäfts­be­din­gun­gen be­rech­tigt, die Vor­la­ge eines Erb­scheins zu for­dern, weil ihnen die Ent­schei­dung dar­über, ob die auf­lö­sen­de Be­din­gung ein­ge­tre­ten ist oder nicht, nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. 

Des­halb soll­ten No­ta­re ei­gent­lich schon seit lan­gem auf sol­che un­be­stimm­ten Rechts­be­grif­fe in Ver­wir­kungs­klau­seln in ihren ge­mein­schaft­li­chen Tes­ta­men­ten und Erb­ver­trä­gen bes­ser ver­zich­ten. An­dern­falls lau­fen sie Ge­fahr, wegen Ver­let­zung ihrer Amts­pflicht zur ein­deu­ti­gen For­mu­lie­rung gemäß § 17 Abs. 1 Be­urkG für die Erb­scheins­kos­ten zur Ver­ant­wor­tung ge­zo­gen zu wer­den. Der der Ent­schei­dung zu­grun­de­lie­gen­de Erb­ver­trag stammt im­mer­hin schon aus dem Jahre 1989.

Dar­über hin­aus ist an­zu­mer­ken, dass die Aus­le­gung so un­be­stimm­ter Ver­wir­kungs­klau­seln auch in ma­te­ri­el­ler Hin­sicht zu Strei­tig­kei­ten dar­über füh­ren kön­nen, ob die auf­lö­sen­de Be­din­gung der Erbein­set­zung ein­ge­tre­ten ist oder nicht, weil unter Um­stän­den schwer oder gar nicht fest­ge­stellt wer­den kann, wel­cher Tat­be­stand mit dem Wort „An­fech­tung“ bzw. „Un­ter­wer­fung“ ge­meint sein soll­te. Dar­über lässt sich treff­lich strei­ten.

Den­noch tau­chen in Erb­scheins­ver­fah­ren - selbst in erst vor kur­zer Zeit ver­fass­ten - ei­gen­hän­di­gen Tes­ta­men­te so un­klar for­mu­lier­te Ver­wir­kungs­klau­seln auf. Dafür sind of­fen­bar viele Ver­fas­ser von auch heute noch gän­gi­gen For­mu­lar- und Hand­bü­chern ver­ant­wort­lich, die sol­che Mus­ter­tex­te zur Ver­wen­dung durch ju­ris­ti­sche Laien emp­feh­len. Diese soll­ten diese Ent­schei­dung end­lich zum An­lass neh­men, ihre Text­vor­schlä­ge in der Weise zu än­dern, dass der Tat­be­stand der Ver­wir­kungs­klau­sel so be­stimmt for­mu­liert wird, dass er so­wohl in Grund­buch­ver­fah­ren als auch ge­gen­über Ban­ken und Ver­si­che­run­gen die Vor­la­ge eines Erb­scheins ent­behr­lich macht.

Die Lö­sung ist ein­fach: In aller Regel soll doch mit die­sen Ver­wir­kungs­klau­seln nur ver­hin­dert wer­den, dass die Ab­kömm­lin­ge beim ers­ten Erb­fall im Rah­men eines Ber­li­ner Tes­ta­ments (§ 2069 BGB) ihren Pflicht­teil vom län­ger le­ben­den El­tern­teil for­dern und des­sen Ver­mö­gen schmä­lern. Des­halb reicht es doch völ­lig aus, al­lein auf die­sen Tat­be­stand des Pflicht­teils­ver­lan­gens ab­zu­stel­len.

Dar­über hin­aus ist je­doch bei sol­chen Ver­wir­kungs­klau­seln für den Fall der Pflicht­teils­for­de­rung usw. zu­sätz­lich zwi­schen der gemäß § 2075 BGB hier­durch auf­lö­send be­ding­ten Ent­er­bung ei­ner­seits und der blo­ßen Ein­räu­mung eines Ent­er­bungs­rechts für die Erb­fol­ge nach dem Län­ger­le­ben­den an­de­rer­seits zu un­ter­schei­den. Die zu­letzt ge­nann­te Ein­räu­mung eines Ent­er­bungs­rechts im Rah­men einer Ver­wir­kungs­klau­sel hat im Grund­buch­ver­fah­ren sowie ge­gen­über Ban­ken und Ver­si­che­run­gen den ent­schei­den­den Vor­teil, dass – man­gels neuer ent­er­ben­der Ver­fü­gung des Län­ger­le­ben­den – die im no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­ten ge­mein­schaft­li­chen Tes­ta­ment oder Erb­ver­trag an­ge­ord­ne­te Schlus­serben­ein­set­zung ohne eine zu­sätz­li­che ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung als Erb­fol­ge­nach­weis gemäß § 35 Abs. 1 GBO die­nen kann. Ge­gen­über Ban­ken und Ver­si­che­run­gen ent­fällt in die­sem Fall die Er­for­der­lich­keit eines Erb­scheins.

Ent­hält die Ver­fü­gung von Todes wegen eine wech­sel­be­züg­li­che bzw. ver­trags­mä­ßi­ge Ein­set­zung von Schlus­serben im Rah­men eines Ber­li­ner Tes­ta­ments, so könn­te eine sol­che Ver­wir­kungs­klau­sel etwa so lau­ten: „Falls ein Ab­kömm­ling nach dem Tod des Erst­verster­ben­den von uns sei­nen Pflicht­teils­an­spruch gel­tend macht, kann der Längst­le­ben­de die­sen ein­schlie­ß­lich der Ab­kömm­lin­ge durch Ver­fü­gung von Todes wegen von sei­ner Erb­fol­ge und von et­wai­gen Ver­mächt­nis­sen aus­schlie­ßen und auf den Pflicht­teil be­schrän­ken. Un­ter­bleibt die Ent­er­bung, so ist die Pflicht­teils­zah­lung auf die Schlus­serb­schaft die­ses Ab­kömm­lings an­zu­rech­nen.“

Haben die Be­tei­lig­ten da­ge­gen auf eine erbrecht­lich bin­den­de Schlus­serben­ein­set­zung ver­zich­tet und diese le­dig­lich ein­sei­tig tes­ta­men­ta­risch an­ge­ord­net, so kann wegen der frei­en letzt­wil­li­gen Ver­fü­gungs­be­fug­nis des län­ger le­ben­den Be­tei­lig­ten sogar völ­lig auf eine Ver­wir­kungs­klau­sel ver­zich­tet wer­den.

OLG Saar­brü­cken, Be­schluss vom 13.12.2021 - 5 W 70/21, BeckRS 2021, 45695