NJW-Editorial
Entlasten und stärken
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Es besteht weitgehend Einigkeit: Die Attraktivität des Justizstandorts Deutschland soll für das internationale Wirtschaftsrecht gestärkt werden. Hierzu liegt ein Gesetzentwurf des Bundesrats vor (BR-Drs 79/22). Die Bundesregierung hat ebenfalls einen Entwurf angekündigt. Es ist zu hoffen, dass das Vorhaben realisiert wird. Dann könnten die Länder für Streitigkeiten mit internationalem Bezug und einem Streitwert von über 2 Mio. Euro Commercial Courts einrichten. 

4. Nov 2022

Die OLG wären Eingangsinstanz und die Kontrolle durch den BGH im Revisionsverfahren wäre gesichert. Das führte dort zu einer Mehrbelastung, die im Gesetz aufgefangen werden müsste. Die Entlastung ließe sich über Eingriffe erreichen, die dem Gebot der Prozessökonomie folgen.

Die §§ 320, 321a ZPO könnten zusammengelegt werden. Bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Über einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO entscheidet das erkennende Gericht, über die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 321a ZPO dagegen das Rechtsmittelgericht. Beide Rügen beruhen häufig auf demselben Sachverhalt. Wenn das Gericht über einen Tatbestandsberichtigungsantrag selbst entscheiden muss, kann es auch darüber entscheiden, es habe das rechtliche Gehör einer Partei verletzt. Die ­jetzige Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht könnte daher dem Ausgangsgericht übertragen werden. Dessen Autorität würde damit gegenüber den Parteien gestärkt.

Die meisten Nichtzulassungsbeschwerden nach § 544 ZPO machen die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht geltend, § 543 II Nr. 2 ZPO. Sie haben statistisch nur zu einem ganz geringen Prozentsatz Erfolg. Das BVerfG billigt die einmalige gerichtliche Kontrolle einer behaupteten Rechtsverletzung. Wird dem Berufungsgericht die Befugnis übertragen, selbst darüber zu entscheiden, ob es das rechtliche Gehör verletzt habe, könnte diese Rüge nicht erneut im Verfahren nach § 544 ZPO verwendet werden. Auf diese Weise könnte der BGH von einem Großteil der Nichtzulassungsbeschwerden entlastet werden.

Der Gedanke aus § 522 II ZPO ließe sich für alle Berufungsurteile nutzbar machen. Das Berufungsgericht hätte die Parteien darauf hinzuweisen, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Urteilsentwurfs hiergegen Rügen nach §§ 320, 321a ZPO oder zu sonstigen Verfahrensgrundrechten vorgebracht werden können. Unterbleibt dies, stellt es das Urteil nach Ablauf der Frist zu. Werden Rügen fristgerecht geltend gemacht, ist hierüber durch das Berufungsgericht zu entscheiden. Sind sie erfolgreich, setzt es den Prozess bis zum Erlass des Urteils fort. Sind sie unbegründet, weist es sie im Urteil zurück. Sämtliche vorgebrachten Rügen wären damit für den BGH verbraucht. Das wäre ein weiterer erheblicher Entlastungseffekt.

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Prof. Hilmar Raeschke-Kessler ist Rechtsanwalt beim BGH, Karlsruhe/Ettlingen.