Urteilsanalyse
Elektronische Übermittlung bei der Wiedereinsetzung
Urteilsanalyse
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Für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 StPO (u.a.) erforderlich, dass die verabsäumte Handlung in einer (auch) dem § 32d StPO genügenden Art und Weise nachgeholt wird.

21. Okt 2022

Anmerkung von Rechtsanwalt David Püschel, Ignor & Partner GbR, Frankfurt a. M.

Aus beck-fachdienst Strafrecht 21/2022 vom 20.10.2022

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Sachverhalt

Das AG verurteilte den Betroffenen (B) wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 105,00 EUR. Gegen dieses in Anwesenheit des B und seines Verteidigers verkündete und auf Anordnung der Vorsitzenden dem Verteidiger des B am zugestellte Urteil hat der B mit ausschließlich per Telefax übermittelten und auf dem Telefax Wege bei dem AG eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Entscheidung

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde verworfen. Das als Rechtsbeschwerde bezeichnete Rechtsmittel sei als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu werten. Der so verstandene Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde erweise sich bereits als unzulässig, da er nicht den Vorgaben des § 110c OWiG i.V.m. § 32d S. 2 StPO genüge. Gemäß § 110c OWiG i. V. m. § 32d S. 2 StPO haben Rechtsanwälte und Verteidiger die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung als elektronisches Dokument, das den Vorgaben des § 32a StPO genüge, zu übermitteln. Auch im Zulassungsverfahren seien dabei sämtliche Förmlichkeiten, die für die Rechtsbeschwerde gelten, einzuhalten, da es sich bei dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde um kein eigenständiges Rechtsmittel handele, sondern lediglich die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 I S. 2 OWiG von der Zulassung derselben abhänge, so dass auch für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde die aus § 110c OWiG i.V.m. § 32d S. 2 StPO folgenden Formerfordernissen für die Übermittlung gelten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei B weder auf seinen Antrag hin, noch von Amts wegen zu gewähren. Zwar liege hier erkennbar kein Verschulden des B vor, sondern allenfalls ein solches seines Verteidigers, welches dem B nicht zugerechnet werde. Der Wiedereinsetzungsantrag sei aber jedenfalls deswegen unzulässig, weil die versäumte Handlung - nämlich Anbringung eines Zulassungsantrages und einer Rechtsmittelbegründung auf dem vorgeschriebenen Übermittlungsweg - nicht fristgerecht erfolgt sei. Die verabsäumte Handlung sei in einer (auch) dem § 32d StPO genügenden Art und Weise nachzuholen. Dies sei hier nicht geschehen. B habe vielmehr selbst mit Schriftsatz vom 4.7.2022 beantragt, wegen eines Anwaltsverschuldens so gestellt zu werden, wie es bei formgerechter Einreichung der Fall gewesen wäre. Hinzu komme (bzgl. einer Wiedereinsetzung auf Antrag), dass der B entgegen § 45 Abs. 2 S. 1 StPO nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht habe, wann er von der nicht fristgerechten Rechtsmitteleinlegung und -begründung in einer dem § 32d StPO genügenden Weise erfahren habe.

Praxishinweis

Dass für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde dieselben Förmlichkeiten gelten wie für die Einlegung und die Begründung der Rechtsbeschwerde, kann man in § 80 Abs. 3 S. 1 OWiG hineinlesen. Dort heißt es: „Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend." Gerade im Zweifel ist es ratsam, die Sollvorschrift des § 32d S. 1 StPO zu beachten und einen Schriftsatz elektronisch einzureichen, statt sich im Nachhinein darüber streiten zu müssen, ob es sich um einen Schriftsatz handelt, der nach § 32d S. 2 StPO zwingend elektronisch einzureichen gewesen wäre.


OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2022 - 5 RBs 179/22, BeckRS 2022, 24922