Urteilsanalyse
Einzimmerwohnung als tauglicher Gegenstand der Gebrauchsüberlassung eines Teils des Wohnraums
Urteilsanalyse
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Auch eine Einzimmerwohnung kann nach einem Urteil des Landgerichts Berlin tauglicher Gegenstand der Gebrauchsüberlassung eines Teils des Wohnraums im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.

30. Mai 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 11/2022 vom 27.05.2022

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Sachverhalt

Der klagende Mieter begehrt die Zustimmung zur befristeten Gebrauchsüberlassung eines Teils der vom Beklagen angemieteten Einzimmerwohnung für die Zeit eines Auslandsaufenthalts.

Der Kläger möchte im Zeitraum von Juni 2021 bis November 2022 im Ausland arbeiten und währenddessen die Wohnung untervermieten. Seine in der Wohnung verbliebenen persönlichen Gegenstände sind im Wohnzimmer in einem Bauernschrank und einer Kommode, ferner in einem am Ende des Flurs 1x1 m großen, durch einen Vorhang abgetrennten, nur von ihm nutzbaren Bereich gelagert. Er ist weiter im Besitz eines Schlüssels für die Wohnung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg.

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung gegen die Beklagten gemäß § 553 Abs. 1 BGB zu.

Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB könne der Mieter von dem Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entstehe. Ein berechtigtes Interesse des Mieters liege vor, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Ein derartiges Interesse komme dem Kläger zu.

Der Antrag auf Erlaubniserteilung genüge hinsichtlich der Angaben zu der Person des in Aussicht genommenen Untermieters den Anforderungen des § 553 Abs. 1 BGB. Der Kläger habe mit der Mitteilung der letzten Wohnanschrift des namentlich unter Angabe des Geburtsdatums benannten Dritten seinen Informationspflichten genügt. Die Beklagten seien auf Grundlage dieser Informationen ohne Weiteres in die Lage gewesen zu prüfen, ob in der Person des Untermieters die Erlaubnis hindernde Umstände vorlagen.

Dem berechtigten Interesse stehe nicht von vornherein entgegen, dass es sich bei dem unterzuvermietenden Wohnraum um eine Einzimmerwohnung handelt. § 553 Abs. 1 BGB stelle bereits keine quantitativen Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums auf, sondern macht den Anspruch auf Gestattung der Untervermietung lediglich vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie davon abhängig, dass er nur einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlässt. Ausgehend davon sei unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 553 Abs. 1 BGB, dem Mieter den Wohnraum zu erhalten, ein großzügiger Maßstab anzulegen und ein berechtigtes Interesse von vornherein nur dann zu verneinen, wenn die Mietpartei die Sachherrschaft über die Wohnung endgültig und vollständig zu Gunsten einer anderen Person verliere. Ausgerichtet an diesen Maßstäben sei auch dem Mieter einer Einzimmerwohnung die Möglichkeit einzuräumen, einen Teil des Wohnraums bei nachweisbarem berechtigtem Interesse an Dritte zu überlassen. Zwar könne er nicht ein eigenes Zimmer für sich behalten, jedoch sei die „Überlassung eines Teils des Wohnraums“ bereits gegeben, wenn er den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgebe. Hierfür genüge es, wenn er einen Bereich in der Wohnung behalte, in dem er seine in der Wohnung belassenen persönlichen Gegenstände lagere, erst recht, wenn er zudem noch im Besitz eines Schlüssels bleibe. Nach dieser Maßgabe stelle sich die Gebrauchsüberlassung nach dem nunmehr unstreitigen räumlichen Überlassungskonzept des Klägers, wonach er seine persönlichen Gegenstände in konkret bezeichneten und dem Untermieter nicht zugänglichen Bereichen gelagert und weiterhin einen Wohnungsschlüssel habe, nicht als vollständige Überlassung der ganzen Wohnung dar.

Der unstreitig nach Abschluss des Mietvertrages entstandene Wunsch des Klägers, während seines bis Ende November befristeten berufsbedingten Auslandsaufenthalts einen Teil der Wohnung einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, stelle ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB dar. Die Erklärung des Klägers, die Untervermietung solle zur Verringerung der finanziellen Belastung durch den Auslandsaufenthalt erfolgen, stehe der Annahme eines hinreichend erheblichen Interesses nicht entgegen, da die teilweise Gebrauchsüberlassung vornehmlich dem von § 553 Abs. 1 BGB geschützten Erhalt seiner Wohnung während des zeitlich beschränkten Auslandsaufenthalts diene.

Der Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung sei nicht aufschiebend bedingt durch eine Zustimmung des Klägers zur Erhöhung der Miete um einen Untermietzuschlag. § 553 Abs. 1 BGB gehe grundsätzlich davon aus, bei einem berechtigten Interesse des Mieters könne dieser die Erteilung der Erlaubnis verlangen, ohne dass dies generell mit einem Untermietzuschlag belastet sei. Eine Ausnahme sei nur bei Unzumutbarkeit für den Vermieter anzunehmen, § 553 Abs. 1 S. 2 BGB. Systematisch daran anschließend regele § 553 Abs. 2 BGB ausschließlich für den Fall, dass die Untervermietung sonst nicht zumutbar wäre, die Möglichkeit für den Vermieter, die Erlaubniserteilung von einer Mieterhöhung abhängig zu machen. Bereits aus dieser Gesetzessystematik, insbesondere der Vorschrift des § 553 Abs. 1 BGB, wonach die Interessen des Mieters bei der Untervermietung regelmäßig Vorrang vor denen des Vermieters haben, ergebe sich, dass für eine Abgeltung der Untervermietung ein Mietzuschlag nur in dem Ausnahmefall einer vermehrten Belastung des Vermieters durch die Gebrauchsüberlassung an den Dritten gefordert werden könne. Daran fehle es indes aufgrund der nicht höheren Belegung der Wohnung und nicht vorgetragener oder ersichtlicher Anhaltspunkte zusätzlicher Aufwendungen, etwa einer stärkeren Abnutzung.

Praxishinweis

Die 67. Kammer des LG Berlin schließt sich der Ansicht der 64. Kammer des LG Berlin an (Beschluss vom 15.07.2021 - 67 S 87/21, BeckRS 2021, 19136), wonach dem Mieter ein Anspruch auf Erteilung einer Untermieterlaubnis bei einer Einzimmerwohnung zustehen kann, solange er hierfür dem Vermieter ein Überlassungskonzept vorlegt, aus dem sich ergibt, welchen Teil der Wohnung er dem Untermieter überlassen möchte und dass er den Gewahrsam an der Mietwohnung nicht vollständig aufgibt (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2005 - VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200). Dem ist zuzustimmen.

Richtig ist ferner, dass dem Vermieter nicht automatisch ein Anspruch zusteht, bei einer Untervermietung einen Untermietzuschlag zu fordern und davon seine Erlaubniserteilung abhängig zu machen. Dies wird im vorliegenden Fall deutlich, da es aufgrund des zeitweisen – ohne Aufgabe des Gewahrsams – Auszug des Mieters aus der Einzimmerwohnung nicht mit einer Überbelastung durch eine erhöhte Anzahl an Bewohnern zu rechnen ist. Verlangt der Mieter jedoch gegenüber dem Untermieter eine höhere Miete, als er selbst schuldet und liegt diese über die von vergleichbaren möblierten Wohnraum, sodass er mit der Mietwohnung einen Gewinn erzielt, so kann darin eine Erweiterung des hauptmietvertraglich vereinbarten Mietgebrauchs zu Wohnzwecken gesehen werden, das dem Vermieter nicht ohne angemessene Mieterhöhung zuzumuten ist (LG Berlin, Beschluss vom 09.09.2019 – 64 T 65/19, BeckRS 2019, 33034; LG Berlin, Beschluss vom 15.07.2021 - 64 S 45/21, BeckRS 2021, 27258).


LG Berlin, Urteil vom 07.04.2022 - 67 S 7/22 (AG Berlin-Mitte), BeckRS 2022, 9909