Urteilsanalyse
Einziehungsentscheidung gegen Erben möglich
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Eine Einziehungsanordnung ist nach einem Urteil des LG Bayreuth auch gegen die Erben eines verstorbenen Angeklagten möglich.

29. Aug 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Lucas Merschmöller, Knierim & Kollegen, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 17/2023 vom 24.08.2023

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Sachverhalt

Die Einziehungsbeteiligte ist die Schwester und Alleinerbin (E) des ursprünglich Beschuldigten (B). Der B betrieb mindestens ab dem Jahr 2015 bis zu seiner Festnahme im November 2018 aus seiner Wohnung heraus einen schwunghaften Handel mit Methamphetamin in größeren Mengen, welches er seinerseits von einem gesondert Verurteilten erwarb. Die Btm. wurden entweder persönlich oder über einen Kurier übergeben. Das Rauschgift war in großen Teilen zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Der B hat insgesamt 1.830 Gramm Metamphetamin zu einem Grammpreis von 65 EUR veräußert. Nach dem Tod des B hat die StA die Eröffnung des selbstständigen Einziehungsverfahrens bei dem LG sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die E in Höhe von 118.950 EUR beantragt. Mit Schreiben des Vorsitzenden der Strafkammer ist die E angehört worden, sie hat durch ihren Vertreter die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Mit Beschluss hat das LG das gerichtliche Einziehungsverfahren eröffnet. Bereits während des Ermittlungsverfahrens hat das AG einen Vermögensarrest gegen den damals beschuldigten B in Höhe von 114.400 EUR erlassen. Entsprechende Pfändungsbeschlüsse der StA sind ergangen. Zur Abwendung der Pfändung hat B ein Grundstück verkauft. Von dem Verkaufserlös ist ein Betrag in Höhe von 114.400 EUR hinterlegt worden. Ein weiterer Arrestbeschluss über die Verhängung eines Vermögensarrestes in Höhe von 4.550 EUR ist durch das LG erfolgt. Im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen sind insgesamt 6.100 EUR Bargeld sichergestellt worden. Der B hat sich mit der form- und entschädigungslosen Einziehung einverstanden erklärt.

Entscheidung

Die Anordnung der Einziehungsbeträge von 118.950 EUR beruhe auf §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a, Abs. 2 StGB. Der B habe rechtswidrig und schuldhaft die Tatbestände des Handeltreibens mit Btm. in nicht geringer Menge in 16 tatmehrheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit Erwerb von Btm., in Tatmehrheit mit drei tatmehrheitlichen Fällen des Erwerbs von Btm. verwirklicht. Der angeordnete Betrag ergebe sich aus einer Multiplikation der durch den B verkauften Gesamtmenge von 1.830 Gramm Metamphetamin mit dem von seinen Abnehmern bezahlten Grammpreis von 65 EUR.

Die Einziehung des durch die Taten Erlangten, also der durch die Drogenverkäufe jeweils unmittelbar bezahlten Geldbeträge, sei nicht möglich, weil diese noch zu Lebzeiten des zwischenzeitlich verstorbenen B entweder mit dessen sonstigem Barvermögen vermischt wurden oder als Gutschrift auf ein Girokonto gelegt wurden. Somit war gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht. Die Anordnung richte sich gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a, Abs. 2 StGB gegen die E, obwohl diese weder Täterin noch Teilnehmerin sei. Die aus der Hinterlegung eines Geldbetrags von 114.400 EUR und der Sicherstellung weiterer 4.550 EUR herrührenden Auszahlungsansprüche und mithin ein Gegenstand, der dem Wert des durch den verstorbenen B Erlangten entsprechet, seien auf die E als Erbin übergegangen, weshalb entsprechender Wertersatz nunmehr durch sie zu leisten sei.

Die Einziehung des Wertes von Taterträgen sei auch nicht gemäß § 73e Abs. 2 StGB ausgeschlossen. Die E sei nicht entreichert in dem Sinn, dass der Wert des Erlangten nicht mehr in ihrem Vermögen enthalten sei. Die Höhe des der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterliegenden Geldbetrages resultiere aus Auszahlungsansprüchen, die B zum Todeszeitpunkt in der Höhe des durch die Drogenverkäufe erlangten Geldbetrages innehatte. Diese seien auf die E als Erbin übergegangen und noch immer Gegenstand ihres Vermögens. Überdies sei sie zu keinem Zeitpunkt gutgläubig gewesen. Die Umstände, die zu der Anordnung der Einziehung gegenüber dem B geführt hätten, seien ihr zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens, auch bereits zu Lebzeiten des Täters, bekannt gewesen. Die E als Schwester des B sei bereits bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung zugegen gewesen. Sie habe im selben Anwesen gewohnt und in engem persönlichen Kontakt zu ihrem Bruder gestanden. Sie habe auch gewusst, dass er die ihm zur Last liegenden Taten umfangreich eingeräumt habe und in diesem Zusammenhang von seinem Verteidiger umfassend über die Folge der zu erwartenden Vermögensabschöpfung beraten worden sei. Auch sei ihr bekannt gewesen, dass er zur Abwendung von Pfändungen, die die StA aufgrund eines Vermögensarrests erwirkt hatte, ein Grundstück veräußert hatte und ein Teil des Erlöses in Höhe von 114.400 EUR hinterlegt worden war. Auch die Sicherstellung des Betrages von 4.550 EUR zur Vermögenssicherung sei ihr bekannt gewesen. Sie sei nach alledem hinsichtlich der Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht gutgläubig gewesen. Die Voraussetzungen für die selbstständige Einziehungsanordnung gemäß § 76a Abs. 1 Satz 1 StGB lägen vor, da der vor Aburteilung verstorbene B wegen seiner Straftaten nicht mehr verfolgt werden könne.

Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung des LG Bayreuth hat im Nachgang auch den BGH beschäftigt. Dieser hat in seiner Entscheidung zwar die grundsätzliche Entscheidung - das die Einziehungsbeteiligte Wertersatz zu leisten habe - bestätigt, da „die Vorschrift […] dem Zweck [diene], die durch Erbgang erfolgte Weiterreichung des Wertes des ursprünglich Erlangten der Vermögensabschöpfung bei dem Drittbegünstigten zu unterwerfen(vgl. BGH NStZ-RR 2023, 244 mwN.). Abweichend entschied der BGH allerdings im Hinblick auf den Betrag von 6.100 EUR, der im Rahmen der Durchsuchung aufgefunden wurde. Diesbezüglich habe der seinerzeit B erklärt, mit der Einziehung einverstanden zu sein, wodurch der Anspruch auf Rückzahlung auf den Fiskus übertragen worden sei und der Einziehungsanspruch daher in dieser Höhe erloschen sei. Dies ist nur konsequent.

G Bayreuth, Urteil vom 10.11.2022 - 1 KLs 118 Js 11010/20, BeckRS 2022, 48423